Division der Verlorenen
beliebtes Thema war: »Was geschieht als nächstes?« Stens Klassenkameraden waren fasziniert von diesem Thema. Natürlich war jeder einzelne davon überzeugt, seine Pilotenabzeichen zu bekommen.
Ganz besonders fasziniert waren sie von dem Unterthema: »Was geschieht als nächstes mit Sten?« Die meisten Kadetten waren entweder völlig unerfahrene Rekruten oder kamen aus den unteren Dienstgraden. Sten war einer der wenigen, der nicht nur schon vorher Offizier gewesen war, sondern sogar einer mit mittlerem Rang. Ihre Gespräche drehten sich darum, was die Raumflotte wohl mit einem ranghohen ehemaligen Armeeoffizier anstellen würde.
»Unser Sten sitzt in der Klemme«, befand Sh’aarl’t. »Als Commander müsste er zumindest einen Zerstörer kommandieren. Andererseits sollte der Skipper eines Zerstörers ein ausgefuchster Flieger sein. Da hat unser Sten schlechte Karten.«
Anstelle einer Antwort packte Sten eine von Sh’aarl’ts Klauen und benutzte sie, um sein nächstes Bier zu öffnen.
»Es ist der reine Ehrgeiz«, warf Bishop ein. »Captain Sten hat irgendwo gehört, dass Admirale nach der Pensionierung bessere Jobs als ausgebrannte Infanteristen bekommen, und mit dieser traurigen Zukunft vor Augen musste er einfach die Waffengattung wechseln.
Leider, leider muss ich Ihnen eine völlig andere Zukunft prophezeien, Sir. Sie werden zum einzigen flugerfahrenen Kindergartenoffizier des ganzen Imperiums befördert.«
Sten blies den Schaum von seinem Bier. »Redet nur weiter, ihr beiden. Ich war schon immer der Ansicht, dass die unteren Offiziersränge ihre Meinung frei kundtun dürfen.
Aber merkt euch … am Tag der Beförderung möchte ich euch formvollendet vor mir salutieren sehen. Mit allen acht Beinen!«
Sten machte die Erfahrung, dass er über eine Fähigkeit verfügte, von der er bislang nichts gewusst hatte, obwohl ihm schon damals bei Mantis aufgefallen war, dass Ida, die Pilotin seines Teams, viel davon haben musste. Diese Fähigkeit könnte man als eine Art mechanisch-räumliches Bewusstsein umschreiben. Die gleiche unbewußte Wahrnehmung, die Sten beim Gehen davor bewahrte, gegen Tische zu stoßen, dehnte sich auch auf die Raumschiffe aus, die er fliegen lernte. Er fühlte instinktiv, wo die Schnauze des Schiffs war und wie weit sich die Tragflächen, falls es welche gab, nach links und rechts oder oben und unten erstreckten.
Weder beim Start noch bei der Landung schrammte Sten an den Seitenbegrenzungen eines Landeschachts entlang. Es kam jedoch der Tag, an dem er erfahren musste, dass auch seiner gerade erst entdeckten Fähigkeit definitiv Grenzen gesetzt waren.
Die Klasse lernte seit einiger Zeit, schwere Sturmtransporter zu fliegen, die Ungetüme, die bei Planetenangriffen die Kapselkatapulte vor Ort brachten.
Ästhetisch betrachtet, sah ein Transporter wie ein Handelsschiff mit geschwollenem Hinterteil aus. Sten hasste das Monstrum. Auch die Tatsache, dass die Kommandobrücke im Mittelteil des Schiffs vergraben war, machte die Sache nicht besser. Doch Sten unterdrückte seinen Abscheu und manövrierte den Schleppkahn gehorsam durch die Gegend.
Am Ende des Tages mussten die Kadetten ihre Schiffe andocken. Der Vorgang war sehr einfach: das Schiff mittels Antigrav in der Schwebe halten, den Yukawa auf Umkehrschub stellen und den Transporter in einen entsprechend monströsen Hangar schieben. Die Monitore für den rückwärtigen Ausblick waren mehr als ausreichend, und ein automatisches Lichtsignal markierte überdeutlich die Mitte des Hangars.
Trotzdem verlor Sten irgendwie die Orientierung – und das Imperium einen Hangar.
Der Transporter bohrte sich langsam und majestätisch in eine der Seitenwände; nicht minder majestätisch senkte sich das Hangardach auf den Transporter herunter.
Der schwergepanzerte Transporter nahm keinen Schaden. Doch Sten musste, während draußen die Überreste des Hangars eingesammelt wurden, sechs Stunden im Schiff verweilen und sich einen langen Vortrag des Fluglehrers hinsichtlich seiner fliegerischen Qualitäten anhören.
Und seine Kameraden sorgten dafür, dass es noch sehr lange Zeit dauerte, bis Sten dieses peinliche Vorkommnis vergessen durfte.
Kapitel 20
Die kleinen, brutalen taktischen Einsatzschiffe hingegen waren ganz nach Stens Geschmack. Damit bekannte er sich definitiv zu einer Minderheit.
Die Einsatzschiffe, deren Besatzung zwischen einem und zwanzig Mann schwanken konnte, waren Allzweckfahrzeuge, die sowohl zu
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