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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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aufgebaut. Ich hasste seinen Bart. Bärte waren eklig. Bärte waren etwas für alte, hässliche Männer, die ihrem erschlafften Gesicht noch etwas Struktur verleihen wollten. Aber Julian hatte das nicht nötig. Er war schön. Ohne Bart war er schön. Wirklich schön. Aber mit diesem langen Witz eines Bartes wirkte er wie der allerletzte Hinterwäldler.
    »Hey, Süße, reg dich doch nicht auf. Es kommt doch gar nicht darauf an, wie ich aussehe. Wichtig ist die innere Haltung.«
    »Genau. Die innere Haltung. Ha, ha. Natürliche Schönheit kommt von innen. Aber dein Bart ist nur eine Äußerlichkeit und zwar eine ziemlich hässliche.«
    »Nein, nicht nur. Er ist ein Symbol . Ein Symbol, das zeigt, was ich denke. Alle können sehen, was ich denke und dass ich nicht mehr bereit bin, bei diesem ganzen anderen oberflächlichen Scheiß mitzumachen.«
    »Ja. Ganz toll. Weißt du was? Deine Revolution hat einen Bart. Und zwar einen soo langen«, sagte ich und zeigte auf seine Brust.
    Doch Julian lachte nur und gab mir einen Kuss.
    Und egal, wie sehr ich mich auch danach noch über ihn lustig machte, Julian war von seiner neuen Tracht nicht mehr abzubringen.
    Und das zweite Wunder, das der Prophet bewirkt hatte, war der Umstand, dass Julian nun ständig in die Moschee rannte. Die »Salafiyya-Bruderschaft«. Und jedes Mal, wenn er von dort zurückkehrte, erkannte ich ihn kaum wieder. Dann war er – irgendwie war er dann nicht mehr Julian. Er war dann so – so unleidlich. Voller Hass.
    Einmal saß ich in der Küche und während ich auf ihn wartete, hatte ich mir ein Diesel aufgemacht.
    »Musst du dieses Zeugs in dich reinschütten?«, fragte er, als er zurückkam und warf einen missbilligenden Blick auf mein Getränk.
    »Nein. Ich muss nicht. Aber ich will.«
    Angewidert wandte er sich ab. Ausgerechnet er, der noch bis vor ein paar Wochen lieber zu viel als zu wenig Alkohol getrunken hatte.
    Es versetzte mir einen Stich, dass er mir gegenüber so voller Ekel war. Auf einmal schmeckte mir das Cola-Bier gar nicht mehr, aber ich trank es trotzdem aus. Und dann steckte ich mir noch eine Kippe an, obwohl ich eigentlich nicht rauchte. Nur gelegentlich, wenn wir ausgingen.
    Halt. Korrektur. Bis vor ein paar Wochen, als wir noch ausgegangen waren. Jetzt gab es ja nur noch die Moschee und den Pizzajob und die ewige Beterei.
    In letzter Zeit war die Stimmung zwischen uns ziemlich gereizt. Ich verstand nicht, warum Julian tat, was er tat, und Julian war – Was war Julian? Sauer? Weil ich nicht mitmachte? Vielleicht. Jedenfalls stritten wir uns ziemlich oft. Und das nur, weil der Prophet seine seltsame Vorstellung von Religion aus dem Knast hier eingeschleppt hatte. Ich kam mir schon langsam selbst vor wie im Knast. Das, was Julian neuerdings für Religion hielt, brachte uns auseinander. Was die Liebe fügt, das soll Gott nicht trennen. Wenn das so weiterginge, dann würde Julian eines Tages abhauen mit seiner sogenannten Religion und dem, was er für Glauben hielt, in seine neue, schöne Schwarz-Weiß-Welt, wo es nur Gut oder Böse und nichts dazwischen gab und ich, ich würde bleiben, wo ich war und nicht sein wollte. Und dabei hatten wir doch zusammen abhauen wollen.
    Wenn ich Julian nicht ganz verlieren wollte, dann musste ich etwas tun. Jetzt. Ich musste ihm irgendetwas bieten, das sein neues Weltbild einfach nicht so anders werden ließ. Und das war schwierig. Und es kostete Zeit. Sehr viel Zeit. Denn: Ich musste so oft wie möglich bei Julian sein, damit er gar keine Zeit hatte, sich Murats Gefasel anzuhören. Und noch zog Julian ein gepflegtes Schäferstündchen dem Teppichwurf vor. Und dabei hatte ich nie eine von diesen Klammertussis werden wollen, die sich ständig ihrem Freund aufdrängten und versuchten, ihn in eine Richtung zu lenken, in die er gar nicht wollte. Aber es war unübersehbar, gerade ging es um alles. Der Prophet oder ich.
    Dummerweise waren Julian und Murat nur bis zum Nachmittag zu Hause. Danach ging es zur »Bruderschaft« und abends und nachts fuhren sie Pizza aus. Deshalb musste ich morgens bei Julian sein und am besten auch noch den Rest des Tages. Dies wiederum bedeutete, dass ich nicht in die Schule gehen konnte. Zumindest nicht regelmäßig.
    Und das, das war der Punkt, an dem sich alles, aber auch wirklich alles ändern sollte.
    Ich begann also ziemlich konsequent mit meinem Julian-Engelmann-Bespaßungs-und-Religionsabwehr-Programm, sagen wir, mit mittelmäßigem Erfolg. Derweil rottete sich jedoch die

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