Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
Wichtigeres zu tun.«
Friedhelm fing höhnisch an zu lachen. »Ach so! Wichtigeres hat das verehrte Fräulein zu tun!« Und fügte erbost hinzu: »Die ganze Woche ist das Geschäft zu. Nur gut, dass unsere Eltern das nicht erleben müssen, wie der Laden langsam aber sicher den Bach runtergeht!«
Gabriele setzte ein süffisantes Lächeln auf. »Was, bitte, geht dich das an?«
Ihr Bruder pellte sich aus seinem feuchten Mantel, schaute sich nach einem Kleiderständer um, was Gabriele absichtlich übersah, und hing ihn schließlich über seinen Arm. Betont ruhig redete er auf seine jüngere Schwester ein: »Immerhin gehört mir die Hälfte der Einnahmen. So haben Mama und Papa es verfügt. Aber wo kein Geschäft ist, gibt es auch keine Umsätze, geschweige denn Gewinne.« Verbittert setzte er fort: »Das ist für eine Frau, die sich ausschließlich für die schöne Kunst interessiert, wahrscheinlich zu viel!« Verärgert ging er auf und ab. Gabriele blieb ruhig, hörte ihm kommentarlos weiter zu. »Aber ich brauche das Geld, Gabriele!« Und nach kurzer Pause: »Ich bin blank. Völlig abgebrannt.«
Gabi griff sich nervös ins Haar, prüfte, ob ihr Knoten saß. »Ach, mal wieder?«, fragte sie mit bitterbösem Unterton. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie auf ihren Bruder zu und schob ihn zurück zur Tür. »Du bekommst jeden Monat deinen Anteil. Wenn Papa und Mama dieses Geschäft noch führen würden, wäre es längst pleite gegangen.« Sie schloss die Tür auf und schob den dürren Friedhelm heraus. Dann merkt sie, dass sein Schirm noch in ihrem Laden stand. Eilig holte sie ihn und drückte ihn dem verblüfften Bruder in die Hand. In festem Ton bestimmte sie: »Du kannst mehr als zufrieden sein mit dem, was du jeden Monat von mir kriegst. Auf Wiedersehen!«
Sie stieß ihn unsanft auf den Gehweg, schlug die Tür zu, schloss ab und zog hastig das Rollo herunter.
Aufgewühlt ging sie zurück zum Hinterzimmer. Die Aktenberge auf dem Tisch brachten sie schnell auf andere Gedanken. Sina saß auf ihrem Hocker, den Kopf tief in die Unterlagen gesteckt. Gabriele war dankbar dafür, dass ihre Freundin so abgelenkt war, sonst hätte sie ihr wahrscheinlich Fragen gestellt und hätte sie womöglich gebeten, etwas von dem Disput mit ihrem Bruder zu erzählen. Aber so konnte sich Gabriele still an Sina vorbei in Richtung Kaffeemaschine verdrücken. Sie hatte die Kanne angehoben, um sich einzuschenken, da fuhr Sina mit einem schrillen Pfiff auf. Vor Schreck goss Gabriele daneben und die schwarze Brühe lief über die Anrichte. Sie wollte ihre Freundin schelten, als sie deren überglückliches Lächeln sah.
»Ist heute zufällig der 13.?«, wollte Sina wissen.
Gabriele zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, ja. Der 13. oder 14. Ist das wichtig? Soll ich schnell nachsehen?«
»Ne, brauchst du nicht. Ich bin sicher – es ist der 13. Das ist nämlich meine Glückszahl. Und heute habe ich absolutes Glück!«
Gabriele ließ sich auf den Stuhl neben Sina fallen und sah sie erwartungsvoll an. »Nun mach’s nicht so spannend, Süße.«
Sina schob ihr einen gefalteten DIN A 3-Bogen rüber. Gabriele schaute sie fragend an, Sina nickte auffordernd. »Schau dir das genau an. Lohnt sich«, sagte sie bedeutungsschwanger.
Gabriele griff zögernd zu, faltete den Bogen auf, strich das Papier glatt.
Vor ihr lag ein Grundriss der ersten Ebene des Bunkers. Eine sorgfältig angelegte, absolut exakte Zeichnung. Erst beim Anblick dieser Skizze wurde Gabriele klar, wie massig das Bauwerk war: Angesichts der meterdicken Zyklopenmauern, wie sie auf dem Grundriss zu erkennen waren, kam sie aus dem Staunen kaum heraus. Allein die Pfeiler, die die Decke stützten, maßen laut diesen Aufzeichnungen jeweils drei Meter im Quadrat. In die Decke selbst waren offenbar Holzbalken eingelassen worden. Eisenbahnschwellen. So, wie es früher als zusätzlicher Stabilisationsgeber beim U-Bahnbau üblich war. Gabriele verstand, warum der unterirdische Koloss den Krieg unbeschadet überstanden hatte: Jegliches konventionelle Bombardement musste an der monolithischen Eigenwilligkeit dieses Panzerbaus scheitern.
Sina ahnte die Gedanken ihrer Freundin, die mit offenem Mund den Plan studierte. Sie hüstelte leicht, bevor sie verkündete: »Meine liebe Gabi. Bevor du dir vor lauter Ehrfurcht deinen Unterkiefer ausrenkst, schau lieber mal dort hin.« Sie deutet auf einen zweiten Bogen Papier, den sie auseinandergeklappt neben den ersten gelegt hatte: der Grundriss
Weitere Kostenlose Bücher