Doch die Sünde ist Scharlachrot
davongelaufen sein, aber sie war hinter ihm her. Genau wie er hinter ihr. Sie ist ein Stück Dreck, und ich will nichts mit ihr zu tun haben und mit ihm auch nicht, solange er sich mit diesem Flittchen abgibt. Dellen Nankervis trägt die Schuld an allem, was in seinem Leben schiefgelaufen ist, und zwar vom ersten Tag an. Das können Sie ruhig in Ihr Dingsda schreiben, wenn Sie wollen. Und notieren Sie ruhig auch dazu, wer's gesagt hat. Ich schäme mich nicht für meine Haltung, denn über die Jahre hat sich wieder und wieder bewiesen, dass ich recht hatte.« Er klang zornig, doch der Zorn schien nur das zu verbergen, was in seinem Innern zerbrochen war.
»Sie sind schon sehr lange zusammen«, bemerkte Lynley.
»Und jetzt Santo.« Kerne ergriff eine weitere Teetasse und einen Henkel. »Sie glauben nicht, dass das irgendwie auf sie zurückgeht? Dann schnüffeln Sie mal ein bisschen herum. Schnüffeln Sie hier, in Truro – und dort. Sie werden merken, dass es da irgendetwas gibt, was abscheulich stinkt – und die Fährte führt geradewegs zu ihr.« Er trug wieder Klebstoff auf, und das Ergebnis war annähernd das Gleiche: eine Teetasse und ein Henkel, wie entfernte Verwandte, die einander nicht kannten. »Sagen Sie mir, wie's passiert ist«, befahl er.
»Er hat sich abgeseilt. In Polcare Cove gibt es eine Klippe …«
»Kenn ich nicht.«
»… nördlich von Casvelyn, wo Ihr Sohn und seine Familie leben. Die Klippe ist vielleicht siebzig Meter hoch. Er hatte oben eine Schlinge angebracht – an einem Mauerpfosten, glauben wir –, und diese Schlinge riss, als er den Abstieg begann. Sie war manipuliert worden.«
Kerne sah Lynley nicht an, aber er hielt einen Moment mit seiner Arbeit inne. Seine Schultern bebten, dann schüttelte er langsam den Kopf.
»Es tut mir leid«, sagte Lynley. »Ich weiß, dass Santo und seine Schwester als Kinder viel Zeit bei Ihnen verbracht haben.«
»Das war nur ihretwegen.« Er spie die Worte geradezu aus. »Wenn sie sich wieder mal einen neuen Kerl geangelt hatte, ihn nach Hause brachte und es mit ihm hier und dort trieb, im Ehebett. Hat er Ihnen das nicht erzählt? Oder sonst wer? Na ja, ich schätze, nicht. Das hat sie schon als Mädchen mit ihm gemacht, und als erwachsene Frau genauso. Und hat sich anbumsen lassen. Mehr als einmal.«
»Sie wurde von anderen Männern schwanger?«, fragte Lynley.
»Er weiß ja nicht, was ich weiß«, sagte Kerne. »Aber sie hat es mir erzählt. Kerra, meine ich – die Tochter. ›Mum ist von einem anderen Mann schwanger und muss es loswerden.‹ Das hat sie uns erzählt. Ganz sachlich erzählt sie mir das, einfach so, und dabei ist sie gerade mal zehn Jahre alt. Zehn Jahre alt! Was für eine Frau ist das, die zulässt, dass ihr kleines Mädchen mitbekommt, was für einen Sauhaufen sie aus ihrem Leben gemacht hat? ›Dad sagt, sie macht eine schwierige Phase durch‹, hat sie uns erzählt, ›aber ich hab sie mit dem Makler gesehen, Granddad …‹ Oder mit dem Tanzlehrer oder dem Physiklehrer von der Schule. Ihr war's gleich. Wenn's sie gejuckt hat, musste irgendeiner es ihr besorgen, und wenn es nicht Ben war oder wenn er's ihr nicht besorgt hat, wann und wie sie's wollte, dann hat sie sich eben einen anderen gesucht. Also machen Sie mir nicht weis, dass sie nicht irgendwie hinter dieser Sache steckt, denn sie hat alles verbockt, was je im Leben des Jungen schiefgelaufen ist.«
Nicht in Santos Leben, gemahnte sich Lynley. Kerne sprach von seinem Sohn, und in ihm sprudelte eine Quelle aus Bitterkeit und Bedauern darüber, dass er nichts hatte sagen oder tun können, um den Kurs seines Sohnes zu korrigieren, nachdem dieser erst einmal eine falsche Entscheidung getroffen hatte. In dieser Hinsicht erinnerte Kerne ihn an seinen eigenen Vater und an all die Vorhaltungen, die er Lynley im Laufe seiner Kindheit gemacht hatte, weil er sich mit Menschen anfreundete, die sein Vater als ›gewöhnlich‹ betrachtet hatte. Aber es hatte nichts genützt, denn Lynley hatte diese Erfahrungen immer als bereichernd empfunden.
»Ich hatte keine Ahnung«, räumte er ein.
»Na ja, woher auch? Er wird das kaum herumerzählen. Sie hat ihn in die Klauen bekommen, als er noch ein Junge war, und seither hat er Scheuklappen vor den Augen. Jahrelang ging's auf und ab mit ihnen, und jedes Mal, wenn seine Mutter und ich dachten, er hätte die Nutte endlich in die Wüste geschickt, wäre zu Verstand gekommen und wir wären sie ein für alle Mal los – er wäre
Weitere Kostenlose Bücher