Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
eine zweite Tür befand.
Von allen Dingen, die Belle sich am sehnlichsten wünschte, standen ein Bad mit fließendem warmem und kaltem Wasser und eine Toilette mit Wasserspülung ganz oben auf der Liste. Bei Martha hatte es eine Wanne gegeben, aber weil so viele Mädchen sie benutzen wollten und nur zu bestimmten Zeiten das Wasser erwärmt wurde, hatte Belle nicht so oft ein Bad nehmen können, wie sie gern gewollt hätte. Auch Madame Albertines Badezimmer war schön; sie hatte sogar ein Ding, das sich Bidet nannte, um sich den Intimbereich zu waschen. Aber dieses Bad hier war das schönste, das Belle je gesehen hatte. Das Waschbecken war in eine Marmorumfassung eingelassen, die Wanne war riesig, und es gab nicht nur eine Toilette, sondern auch ein Bidet, und die schwarz-weißen Bodenfliesen glänzten wie Glas.
Belle registrierte diesen Luxus durchaus, aber sie hatte kaum die Tür hinter sich zugemacht, als ihr Magen rebellierte und sie gerade noch rechtzeitig die Toilette erreichte.
Sie hatte das Gefühl, sich stundenlang zu übergeben. Im einen Moment war ihr so kalt, dass sie sich in ein Badetuch wickeln musste, und im nächsten so heiß, dass sie Angst hatte, von der Hitze ohnmächtig zu werden. Als ihr Magen endlich völlig entleert war, rappelte sie sich mühsam hoch und betrachtete sich im Spiegel.
Ihr Haar, das sie am Vorabend eine Stunde lang frisiert und mit Kämmchen und Spangen aufgetürmt hatte, war jetzt eine verfilzte, wirre Masse; ihr Gesicht war kreidebleich, ihre Lippen rissig und geschwollen. Auch in ihrem Intimbereich war sie wund, was darauf hindeutete, dass Clovis sehr grob mit ihr umgegangen sein musste.
Als Madame Albertine ihr den Sinn und Zweck eines Bidets erklärt hatte, hatte Belle nicht wirklich eingesehen, wozu es gut sein sollte, aber als sie sich jetzt auf dieses Bidet hier setzte und das warme Wasser sie sanft umspülte, begriff sie es. Leider kam mit dieser Erkenntnis auch der deprimierende Verdacht, dass man sie hereingelegt hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein intelligenter und gebildeter Mann wie Clovis den Umstand, dass eine Frau zu viel getrunken hatte, ausnutzen würde, es sei denn, er wusste von vornherein, dass sie nicht in der Position war, eine Klage gegen ihn vorzubringen.
Das konnte nur bedeuten, dass Madame Albertine ihm erzählt hatte, was sie war, und das brachte Belle zum Weinen. Sie mochte Albertine wirklich sehr und hatte geglaubt, dass ihre Geheimnisse bei ihr gut aufgehoben wären.
Belle blieb eine kleine Ewigkeit im Badezimmer. Sie wusch sich von oben bis unten, bürstete ihr Haar und trank Unmengen Wasser, bis sie sich wieder nüchtern fühlte. Dann schlich sie ins dunkle Schlafzimmer zurück und tastete auf dem Fußboden nach ihren Sachen, bis sie alles gefunden hatte.
Ein kurzer Blick durch die Vorhänge verriet ihr, dass es noch mitten in der Nacht war. Nicht das leiseste Anzeichen der Morgendämmerung war zu sehen, und abgesehen davon, dass sie nicht wusste, wie sie zu Madame Albertine zurückfinden sollte, wollte sie nicht unbedingt vom Nachtportier gesehen werden. Deshalb nahm sie, nachdem sie sich angezogen hatte, eine Daunendecke, die vom Bett gerutscht war, setzte sich auf die Chaiselongue beim Fenster und deckte sich gut zu, um es warm zu haben, während sie darüber nachdachte, wie sie sich in dieser Notlage verhalten sollte.
Clovis schnarchte leise, ein in jeder Hinsicht beruhigendes Geräusch. Belle wünschte, sie könnte glauben, dass er sie nur hierhergebracht hatte, damit sie ihren Rausch ausschlafen konnte, und dann von Verlangen überwältigt worden war. Leider kannte sie die Männer zu gut, um das für wahrscheinlich zu halten. Es war schon seltsam: Vielleicht hätte sie zu einem späteren Zeitpunkt freiwillig mit ihm geschlafen, denn er hatte ihr wirklich gut gefallen.
Aber als sie daran dachte, wie sie sich beim Weihnachtsessen kennengelernt hatten, kam ihr plötzlich der Gedanke, dass Madame Albertine sie vielleicht nur zur Schau gestellt hatte, um sie später dem Höchstbietenden zuzuführen. Belle war wie vor den Kopf geschlagen; ein schlimmerer Verrat ließ sich kaum denken. Aber je länger sie darüber nachdachte, desto überzeugter war sie, dass sie recht hatte. Und bestimmt steckte Madame Albertine nicht allein dahinter, ihr Partner in dieser Angelegenheit dürfte Arnaud Germaine sein.
Jetzt sah Belle klar. Arnaud hatte ihr angeboten, sie in eine Pension zu bringen, die er kannte, weil er bereits alles im
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