Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
sah aus, als wäre es ursprünglich sehr teuer gewesen. Das Kostüm entsprach schon eher dem, was Belle vorschwebte, aber die Farbe war falsch. Sie nickte und lächelte, um der Frau zu bedeuten, dass ihr der Zweiteiler gefiel, und zeigte nacheinander auf ein rotes und ein lilafarbenes Kleid und dann wieder auf das Kostüm.
Die Frau nickte. Nachdem sie ein paar Minuten in den Kleiderständern gestöbert hatte, zog sie ein lila Kostüm mit schwarzem Samtkragen und -manschetten hervor und ein rotes, das auf der Brust mit schwarzer Kordelverschnürung besetzt war.
Belle hielt sich das rote an und betrachtete sich im Spiegel. Falls es ihr passte, wäre es perfekt, modisch und elegant, aber auch ein bisschen extravagant, und die Farbe stand ihr wirklich ausgezeichnet.
Die Frau führte sie zu einem kleinen Verschlag im hinteren Teil des Ladens, damit Belle das Kleid anprobieren konnte, und zeigte auf ein seidenes Etikett in der Jacke, auf dem »Renée« stand. Anscheinend wollte sie Belle erklären, dass das Kostüm etwas Besonderes und nicht von einer gewöhnlichen Schneiderin angefertigt worden war. Belle erkannte allein an dem Schnitt, der Verarbeitung und dem Material, dass es einmal einer reichen Frau gehört hatte. Sie konnte es kaum erwarten, hineinzuschlüpfen.
Die Besitzerin des Ladens plapperte vor dem Verschlag auf Französisch munter dahin, und Belle war sich ziemlich sicher, dass sie wortreich die Vorzüge dieses Ensembles anpries und behauptete, dass es von einem hübschen, jungen Mädchen wie Belle getragen werden müsste. In dem Moment, als sie den Rock in der Taille zuhakte, wusste sie, dass die ursprüngliche Besitzerin dieselbe Figur wie sie gehabt haben musste, denn der Rock hatte die perfekte Länge und schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihre Hüften. Mit angehaltenem Atem schlüpfte sie in die Jacke und betete, sie möge nicht zu klein sein, aber genauso wie der Rock saß auch sie wie angegossen.
» Magnifique! Il est fait pour vous «, gurrte die Ladenbesitzerin, als Belle herauskam. Anscheinend war sie der Meinung, dass das Kostüm wie geschaffen für sie war.
Und das war es tatsächlich. Der Schnitt ließ Belles Taille extrem schmal erscheinen, die Farbe passte gut zu ihrem dunklen Haar, und der militärische Kordelbesatz verlieh dem Kostüm eine kesse Note.
» Combien? «, fragte Belle. Dieses Wort hatte sie gelernt, als sie mit Madame Albertine auf dem Markt einkaufen war.
» Vingt francs «, antwortete die Frau und hob ihre zehn Finger zweimal hintereinander hoch.
Belle schluckte. Sie wusste, dass zwanzig Francs ein angemessener Preis für ein so schönes Kostüm waren, aber das würde ein großes Loch in ihre Barschaft reißen. Sie brauchte die entsprechende Kleidung, um Geld zu verdienen, aber wenn ihr Plan mit den Hotels nun nicht funktionierte? Was dann? Außerdem brauchte sie Unterwäsche zum Wechseln, ein einfaches Tageskleid und ein Paar feste Schuhe.
Die Ladenbesitzerin sah sie fragend an, und Belle deutete erst auf ihre Schuhe, hob dann leicht ihren Rock, um zu zeigen, dass sie keine Unterröcke trug, und zeigte schließlich auf eines der Tageskleider. Dann nahm sie fünfundzwanzig Francs aus ihrem Täschchen und hielt sie hoch.
Die Frau verstand eindeutig, was Belle meinte, aber es gefiel ihr gar nicht. Sie schimpfte und verdrehte die Augen und lief mürrisch hin und her, aber Belle behielt eisern eine tief betrübte Miene bei. Schließlich beruhigte sich die Frau, ging in den hinteren Teil des Ladens, wo sie Schuhwerk aufbewahrte, und kam mit mehreren Paaren zurück, alle in ausgezeichnetem Zustand. Die kleinen, seitlich geknöpften schwarzen Stiefeletten passten Belle wie angegossen; sie hatten einen kleinen Absatz und wirkten sehr elegant.
Als Nächstes brachte ihr die Frau ein leichtes graues Wollkleid. Das Oberteil war vorn durchgeknöpft und hatte auf einer Seite eine Applikation von dunkelgrauen Blumen. Belle gefiel es gut, weil es warm war und sich für fast jede Gelegenheit eignete. Sie bedeutete der Frau, dass sie es gern anprobieren würde. Die Frau nickte, holte aus einem Korb Unterröcke, Unterhosen und Hemden und drückte sie Belle in die Hand, als wollte sie sagen, dass sie sich die Sachen anschauen und etwas aussuchen solle.
Fast eine Stunde war vergangen, als Belle in dem grauen Kleid und ihren neuen Stiefeln strahlend das Geschäft verließ. Die Unterwäsche, die sie ausgewählt hatte, das rote Kostüm, ihr Abendkleid und ihre Schuhe waren in braunes
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