Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Garden Markt schliefen.
Als ob eine Modistin die Tochter einer Bordellbesitzerin in die Lehre nehmen würde!
Außerdem wurde Belle bewusst, dass viele der Geschäftsleute in Seven Dials es zum Brüllen gefunden haben mussten, dass ausgerechnet die Tochter der Bordellbesitzerin die Unverfrorenheit besaß, die Nase so hoch zu tragen. Sie wurde rot, wenn sie daran dachte, was wohl über sie geredet wurde; vielleicht wurden sogar Wetten darauf abgeschlossen, wie lange es dauern würde, bis auch sie sich verkaufte.
Sie versuchte, mit Mog über all diese Dinge zu sprechen, aber Mog reagierte ziemlich schroff. »Fang ja nicht an, deine Mutter zu verurteilen, Belle! Du hast keine Ahnung, wie schwer es für eine Frau ist, sich allein durchs Leben zu schlagen«, sagte sie scharf. »Putzen, nähen, in einem Laden verkaufen, das alles wird sehr schlecht bezahlt, und der Arbeitstag ist lang. Ich bin nicht immer einverstanden mit dem, was deine Mutter macht, aber ich will nicht, dass du die Nase über sie rümpfst, weil sie dieses Haus führt. Sie hat getan, was sie tun musste, um durchzukommen. Ich hoffe, du findest dich nie selbst in so einer Lage wieder.«
Die Wände des Hauses schienen Belle immer näher zu rücken, und das Bild von Millies Augen, die fast aus ihren Höhlen traten, und diesem furchtbaren Mann, der seinen Schwanz an ihre Wange drückte, quälte sie unablässig, so sehr sie sich auch bemühte, es zu vertreiben. Sie sehnte sich verzweifelt danach, frische Luft zu schnappen, etwas anderes zu hören als das Gezänk der Mädchen und etwas anderes zu sehen als Annies verbissene Miene.
Vor allem aber wollte sie Jimmy sehen. Aus irgendeinem Grund, für den sie keine vernünftige Erklärung fand, hatte sie das Gefühl, dass er verstehen würde, was sie gerade durchmachte.
Sie zog ihren alten pelzgefütterten grauen Mantel und ihre robustesten Stiefel an und schlüpfte zur Hintertür hinaus. In den letzten drei Tagen hatte es nicht mehr geschneit, aber es war immer noch so kalt, dass Schnee und Eis nicht schmolzen. Ein schöner Anblick war es nicht mehr, der Schnee auf den Straßen und Bürgersteigen war jetzt schwarz von Ruß und Dreck, mit Pferdeäpfeln übersät und von Karren- und Wagenrädern durchpflügt. Etliche Geschäftsleute hatten wegen der Glätte vor ihren Läden Sand und Salz gestreut, und das verschlimmerte den trostlosen Anblick noch.
Belle hob leicht ihre Röcke, um nicht mit dem Schmutz in Berührung zu kommen, und ging vorsichtig die Monmouth Street hinunter. Es war erst neun Uhr morgens an diesem kalten grauen Tag, und ihr kam es vor, als hätte seit Wochen die Sonne nicht mehr geschienen.
»Belle, warte!«
Als sie Jimmys Stimme hinter sich hörte, schlug ihr Herz schneller. Rasch drehte sie sich um und sah, wie er auf der Straße auf sie zurannte und auf einer eisigen Stelle von gefrorenem Schnee ins Schlittern kam.
Jimmys schäbiger blauer Pullover schien ihm mehrere Nummern zu klein sein, und seine grauen Hosen waren ein bisschen zu kurz. Er trug einen karierten Schal um den Hals, aber keinen Mantel. Belle hatte den Verdacht, dass er gar keinen besaß.
»Wie geht’s dir?«, keuchte er, als er bei ihr war. »Furchtbare Sache mit dem Mädchen, das ermordet worden ist, alle reden über nichts anderes. Aber irgendjemand hat behauptet, du wärst weggeschickt worden. Ich wäre froh gewesen, wenn es dir irgendwie geholfen hätte, aber es hat mir gar nicht gefallen, dass ich dich vielleicht nie wiedersehen würde.«
Belles Augen füllten sich unwillkürlich mit Tränen, weil Jimmy der Erste zu sein schien, der sich Sorgen um sie machte. Selbst Mog hatte jede Erwähnung des Vorfalls tunlichst vermieden, und sie wusste genau, was Belle alles mit angesehen hatte.
»Ja, es war furchtbar«, gestand sie. »Ich hatte Millie gern, und das Ganze war ein schlimmer Schock.«
»Nicht weinen«, sagte er, trat näher und nahm ihre Hand in seine. »Willst du darüber reden? Oder soll ich dich lieber auf andere Gedanken bringen?«
Obwohl seine goldbraunen Augen sorgenvoll blickten, setzte er ein verschmitztes Grinsen auf, das ein Grübchen in seinem Kinn auftauchen ließ.
»Bring mich auf andere Gedanken«, sagte sie.
»Dann lass uns zum Embankment gehen«, schlug er vor. »In den Parks ist der Schnee immer noch ganz schön.«
Er hielt sie fest an der Hand und lotste sie geschickt durch Covent Garden, vorbei an Lastenträgern, die Kisten mit Obst auf ihren Köpfen balancierten, und anderen, die
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