Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Handkarren mit Säcken voller Gemüse zogen. Als sie zum Blumenmarkt kamen, erwachten angesichts der leuchtenden Farben und des Dufts sofort Belles Lebensgeister.
»Wo kriegen die mitten im Winter Blumen her?«, fragte sie. Jimmy hatte eine rosafarbene Rosenknospe vom Boden aufgehoben und schnupperte an ihr.
»Aus warmen Ländern vielleicht«, erwiderte er und steckte ihr die Blume an den Mantelkragen. »Oder vielleicht werden sie in Treibhäusern gezogen. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich komme gern her, um sie anzuschauen und an ihnen zu riechen. Das hilft mir, das ganze Elend um mich herum zu vergessen.«
»Im Pub deines Onkels?«
Er nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ja. Die Männer, die das Geld versaufen, das sie nach Hause zu ihren Frauen und Kindern bringen sollten. Die, die damit angeben, wie sie ihre Frauen verprügeln, um sie an der Kandare zu halten. Die Diebe, Zuhälter, Betrüger und Schläger. Allmählich habe ich den Eindruck, dass es in ganz Seven Dials nicht einen einzigen ehrlichen, anständigen Mann gibt. Ich glaube nicht mal, dass Onkel Garth einer ist.«
»Ganz so schlimm kann er nicht sein. Er hat dich bei sich aufgenommen und das Begräbnis deiner Mutter bezahlt«, erinnerte Belle ihn. »Meine Mutter ist auch nicht unbedingt das, was man eine anständige Frau nennt, aber vielleicht hatte keiner von ihnen eine andere Wahl.«
»Vielleicht hast du recht. Ich schätze, es ist ganz schön schwer, sich durchzubeißen und sein eigenes Geschäft aufzubauen. Wahrscheinlich schaffen es nicht viele Leute, dabei eine weiße Weste zu behalten«, meinte Jimmy resigniert.
Während sie die Strand hinunter und dann zum Themse Embankment schlenderten, erzählte Jimmy ihr, wie sie im Ram’s Head noch in der Nacht, als der Mord geschehen war, davon erfahren hatten. »Da wussten wir noch nicht, welches Mädchen es war, aber jemand sagte, hoffentlich nicht Millie, weil sie sehr nett ist, ein gutes Mädchen. Wenn ich dich nicht gekannt hätte, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass jemand aus einem Bordell ein guter Mensch sein könnte. Ich habe die ganze Nacht an dich gedacht und mir Sorgen gemacht, ob du auch in Sicherheit bist und wie es dir und deiner Mutter geht.«
Der kleine Park am Embankment sah sehr hübsch aus. Der Schnee auf den Wegen war zertrampelt, aber er lag dicht und frisch und weiß auf Bäumen, Sträuchern, Gras und Geländern. Der Anblick erinnerte Belle daran, dass sie selbst noch vor wenigen Tagen so unschuldig wie frisch gefallener Schnee gewesen war, aber Millies Mörder hatte die Reinheit ihres Denkens zerstört und ihr die raue Wirklichkeit gezeigt.
»Ich habe wirklich nicht gewusst, was bei uns im Haus vorging«, sagte sie zögernd und errötete über und über. »Bis zu dieser Nacht, meine ich. Ich dachte, bei uns finden Privatgesellschaften statt und Männer bezahlen dafür, daran teilzunehmen.«
Jimmy nickte verständnisvoll. »Ich habe meinem Onkel erzählt, dass ich dich kennengelernt habe, und er hat gesagt, dass du aus dem Ganzen absolut rausgehalten worden bist. Er meinte, man muss es deiner Ma hoch anrechnen, dass sie dich so gut erzogenhat. Aber vielleicht hätte sie dir ein bisschen mehr darüber erzählen sollen. Es war wohl ein ganz schöner Schock, die Wahrheit zu entdecken, was?«
»Und ob, und es war noch schlimmer, weil es Millie war. Sie war das einzige der Mädchen, bei dem ich das Gefühl hatte, es richtig zu kennen«, sagte Belle mit gepresster Stimme.
Jimmy kehrte den Schnee von einer Bank und schlug vor, sich zu setzen, während Belle berichtete, was sie auf Anweisung ihrer Mutter allen erzählen sollte. Jimmy war sehr fürsorglich, und es tat gut, draußen an der frischen Luft zu sein, aber die Schönheit des Parks und selbst der kleine Zaunkönig, der vor ihnen hin und her hüpfte, gaben ihr das Gefühl, an ihren Lügen zu ersticken. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie brach mitten im Satz ab.
»Weine nicht«, sagte Jimmy und legte ihr tröstend einen Arm um die Schultern. »Es muss wirklich schlimm für dich gewesen sein, dass so was direkt über deinem Kopf passiert ist. Aber sprich lieber nicht mehr darüber, wenn es dich so traurig macht.«
Sie legte ihr Gesicht an seine Brust. »Ständig Lügen zu erzählen, das macht mich traurig«, flüsterte sie. »Wenn ich dir die Wahrheit sage, versprichst du mir dann, dass du es nie einer Menschenseele weitersagst?«
Er legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es leicht an, so
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