Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
wirkte etwas versöhnlicher und hörte aufmerksam zu, als Etienne berichtete, was er herausgefunden hatte. »Ich schlage vor, wir treffen uns beide mit meinem Freund Fritz. Was ich überEdouard Pascal gehört habe, gefällt mir gar nicht, und vielleicht stecken er und dieser Le Brun und möglicherweise noch andere unter einer Decke. Wir müssen sehr vorsichtig vorgehen und so viel wie möglich über diese beiden Männer herausfinden, bevor wir den ersten Schritt machen.«
»Was meinen Sie mit ›noch andere‹?«
Etienne stieß insgeheim einen Seufzer aus. Da Noah schon einige Male in Paris gewesen war und versucht hatte, etwas über die verschwundenen Mädchen in Erfahrung zu bringen, sollte er mittlerweile wissen, dass es hier um das ganz große Geld ging. »Das Laster regiert weltweit, Noah«, sagte er. »Und viele Leute verdienen daran ein Vermögen.«
»Verstehe.« Noahs Miene verdüsterte sich. »Sie könnte also sonstwohin gebracht worden sein?«
»Richtig, aber mein Gefühl sagt mir, dass sie noch am Leben und hier in Paris ist. Es besteht große Nachfrage nach sehr jungen Mädchen, aber dafür ist Belle schon zu alt. Wenn es also nicht schon einen Interessenten für sie gab, würde es eine Weile dauern, sie loszuwerden.«
Noah erschrak. »Soll das heißen, Sie glauben, dass sie schon tot ist?«
»Nein«, sagte Etienne mit mehr Zuversicht, als er empfand. »Aber auch diese Möglichkeit können wir nicht ausschließen.«
Gerade als die beiden Männer aufbrechen wollten, kam Gabrielle in den Speiseraum. »Seien Sie vorsichtig«, sagte sie ängstlich. »Ich möchte nicht, dass Ihnen beiden etwas passiert.«
Etienne legte eine Hand auf ihre Schulter. Er hatte vorhin, als ihr Schal verrutscht war, die hässliche Narbe an ihrem Hals gesehen und konnte sich denken, wie sie dazu gekommen war. »Keine Sorge, wir passen schon auf. Es war richtig von Ihnen, uns zu holen. Wir nehmen die Sache jetzt in die Hand.«
Fritz wartete schon, als sie kamen. Das Gustave war eine kleine Café-Bar, und Fritz hatte sich draußen an einen der Tische gesetzt. Etienne machte ihn mit Noah bekannt und fragte, ob er etwas für sie hätte.
»Ja und nein. Dieser Edouard Pascal scheint ein ziemlich mieser Kerl zu sein. Er hat seinerzeit ein paar Frauen übel zugerichtet und arbeitet seit drei Jahren im Ritz . Vorher war er Leichenbestatter.«
»Leichenbestatter!«, rief Etienne.
Fritz nickte. »Komisch, dass er danach Portier im besten Hotel von Paris geworden ist. Ich gehe jede Wette ein, dass er jemanden bestochen oder erpresst hat, um den Job zu bekommen. Irgendwas ist da faul.«
Etienne nickte. »Und Le Brun? Jemand hat mir gestern Abend erzählt, es könnte sich um Philippe Le Brun, den Restaurantbesitzer, handeln.«
»Zu dem Schluss bin ich auch gekommen. Er ist eine starke Persönlichkeit, schwerreich und hat eine Schwäche für Huren, auch wenn er sie angeblich gut behandelt. Aber mein Informant sagt, dass er an dem fraglichen Abend bis in die frühen Morgenstunden mit einer drallen blonden Tänzerin unterwegs war.«
Etienne runzelte die Stirn. »Dann können wir ihn also streichen?«
»An dem Abend war er jedenfalls nicht mit eurer Belle zusammen. Aber er ist in letzter Zeit zweimal mit demselben Mädchen gesehen worden, jung, bildhübsch, dunkles, lockiges Haar und vermutlich Engländerin.«
Etienne und Noah strahlten. »Wie kommt man an ihn heran?«, fragte Noah.
»Keine Ahnung.« Fritz dachte kurz nach. »Aber soweit ich weiß, geht er vormittags meistens im Le Dôme auf dem Montparnasse Kaffee trinken.«
Etienne bedankte sich bei Fritz und verließ mit Noah das Café. »Sollen wir gleich ins Le Dôme gehen und mit ihm reden?«, fragte Noah.
Etienne war hin- und hergerissen. Einerseits hätte er gern mehrüber Le Brun gewusst, bevor er Kontakt zu ihm aufnahm, aber andererseits war Belle jetzt seit drei Tagen verschwunden. Vielleicht sollten sie lieber ein bisschen Dampf machen.
»Ja. Ich erkläre Ihnen unterwegs, wie wir es angehen«, sagte Etienne und hielt eine Droschke an.
*
Noah war reichlich nervös, als er das Café betrat. Etienne wartete draußen auf der Straße.
Es waren nur ungefähr zehn Gäste im Lokal, die meisten davon Männer, die zu zweit oder zu dritt an den Tischen saßen. Aber ein Mann saß allein an einem Fenstertisch und las Zeitung. Noah wählte den Tisch neben ihm und spähte verstohlen zu seinem Nachbarn, während er so tat, als würde er etwas in seinem Notizbuch nachschlagen.
Der
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