Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
sich in die Richtung, aus der die Stimme kam, und lächelte. Die Frau, die so entzückt seinen Namen gerufen hatte, musste Madeleine sein, auch wenn die Jahre nicht freundlich mit ihr umgegangen waren.
Aufgeregt zwängte sie sich zwischen den eng gestellten Tischen und Stühlen durch. Sie war jetzt Mitte vierzig und ganz schön in die Breite gegangen, aber ihr Lächeln konnte immer noch einen ganzen Raum erhellen.
»Madeleine! Ich hatte gehofft, dich hier zu treffen!«, sagte Etienne und umarmte sie. Von ihr hatte er alles über die körperliche Liebe und noch mehr über das Leben gelernt. In ihren Dreißigern war sie eine rothaarige Schönheit mit einem Herzen aus Gold gewesen. Ihr Haar war immer noch rot, aber unverkennbar gefärbt, und ihr Porzellanteint war unrein und von Falten durchzogen. Aber all ihre Wärme war noch da, und als er sie in den Armen hielt, schienen die Jahre von ihm abzufallen, und er fühlte sich wieder wie zwanzig.
»Lass dich anschauen«, sagte sie und trat einen Schritt zurück. »Fescher denn je, und noch dazu in einem Anzug, der mir sagt, dass du nicht darauf angewiesen bist, von mir auf einen Drink eingeladen zu werden! Was führt dich her? Ich habe gehört, dass du zum Einsiedler geworden bist.«
»Ich wollte dich sehen«, sagte Etienne.
Sie nahm ihn an der Hand, lotste ihn zu einem freien Tischrechts von der Theke und rief dem Barkeeper zu, ihnen Cognac zu bringen. Wie er halb erwartet hatte, wusste sie über Elena und die Jungs Bescheid – schlechte Nachrichten verbreiteten sich immer schnell –, und als sie ihm ihr Beileid aussprach, füllten sich ihre Augen mit Tränen.
»Schön, dass du immer noch ein großes Herz hast«, sagte er und nahm ihre Hand. »Ich würde dir nicht übel nehmen, wenn du mir nach der Art und Weise, wie ich dich verlassen habe, nur Schlechtes gewünscht hättest.«
»Du warst nie für mich bestimmt, das habe ich immer gewusst«, sagte sie, und er stellte fest, dass ihre grünen Augen immer noch so lebhaft funkelten wie früher. »Wenn du geblieben wärst, hätten wir einander zerstört, und außerdem war ich auch zu alt für dich. Aber reden wir nicht davon. Erzähl mir lieber, warum du in Paris bist. Für Höflichkeitsbesuche hattest du nie viel übrig, wenn ich mich recht entsinne.«
»Ich muss dich wohl nicht darauf aufmerksam machen, dass alles, was ich sage, unter uns bleiben muss?«, fragte er.
»Natürlich nicht.«
Etienne erzählte ihr in groben Zügen Belles Geschichte. »Du hast recht, ich war zum Einsiedler geworden. Wenn ich nicht die Nachricht erhalten hätte, dass Belle verschwunden ist, hätte ich wahrscheinlich weiter das Land rund um mein Haus gerodet, etwas angepflanzt und Hühner gezüchtet.«
Madeleine lachte. »Nicht doch! Du als Bauer?«
»Das Land zu bearbeiten, macht mir Spaß«, sagte er. »Ich hoffe, ich kann damit weitermachen. Aber zuerst muss ich Belle finden.«
»Vielleicht macht sie mit diesem Kunden bloß eine kleine Spritztour.«
»Nein, sie hat all ihre Sachen in ihrem Hotelzimmer gelassen.«
»Pah!«, machte Madeleine verächtlich. »Ein paar Kleider halten ein Mädchen nicht auf, wenn der Mann reich genug ist, um ihr neue zu kaufen.«
»Das trifft wahrscheinlich auf viele Frauen zu, aber nicht aufBelle«, sagte er unerschütterlich. »Und sie hätte ihre Wirtin verständigt, damit sie sich keine Sorgen macht.«
»Zwei Jahre als Hure haben sie garantiert verändert. Sie ist nicht mehr das Mädchen, das du gekannt hast.«
»Es ist über zehn Jahre her, dass ich dich kennengelernt habe, aber ich würde sagen, du hast immer noch dieselben guten Eigenschaften«, wandte Etienne ein.
»Wenn es um dich geht, vielleicht.« Sie zuckte die Achseln, als wollte sie andeuten, dass er ein Sonderfall war. »Aber ein Mädchen, das in den besten Hotels arbeitet, muss clever sein und darf nicht den Kopf verlieren. Vergiss nicht, ich weiß, wovon ich rede.«
»Ich weiß, dass Belle in Schwierigkeiten steckt«, beharrte er. »Ich fühle es, und ihrer Wirtin geht es genauso. Sie war früher auch eine fille de joie .«
Dieses Argument schien Madeleine zu überzeugen. »Na schön. Und was willst du von mir?«
»Kennst du zufällig einen Mann namens Edouard Pascal oder hast mal etwas über ihn gehört?«
»Ja«, sagte sie und setzte sich abrupt auf. »Früher kam er fast jede Woche ins Marais. Ich bin zwei, drei Mal mit ihm gegangen, aber er gefiel mir gar nicht. Er machte mir Angst. Und die anderen Mädchen mochten
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