Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Aufenthaltsort möglicherweise gar nicht, zum anderen war Etiennes Name bei der Polizei bekannt, und wenn er nicht gut aufpasste, landete er vielleicht selbst im Gefängnis, und Belle wäre verloren.
Den Tag hatte er damit verbracht, Droschkenkutscher zu befragen und mit alten Freunden zu reden, die etwas über Pascal wissenkönnten, und er hatte bei Philippe Le Brun vorgesprochen. Philippe gefiel ihm. Er spürte, dass sich der Mann aus bescheidenen Anfängen mit eigener Kraft hochgearbeitet hatte. Er wirkte nicht im Geringsten hochmütig, und er hatte bereitwillig zugestimmt, noch einmal Kontakt zu Pascal aufzunehmen und um eine weitere Zusammenkunft mit Belle zu bitten. Er und Etienne vereinbarten, sich später am Abend, falls nichts dazwischenkam, in Philippes Restaurant an der Place Pigalle zu treffen.
Aber einstweilen blieb Etienne nichts anderes zu tun als zu warten.
Kurz nach acht kam eine ganze Schar Frauen aus der Hintertür, wahrscheinlich Zimmermädchen. Auch ein paar Männer waren dabei, Kellner vielleicht oder Leute von der Hauswartung. Gerade als Etienne befürchtete, Pascal könnte das Hotel durch den Vordereingang verlassen haben, tauchte er auf.
Er hatte seine elegante Livree gegen einen dunklen Anzug eingetauscht und blieb bei der Tür stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Etienne spürte, wie sein Blut zu sieden begann, denn alles an dem Mann, das schmale, knochige Gesicht, der sorgfältig gestutzte Kinnbart und das geölte Haar, erinnerte ihn an andere Typen dieses Schlags, mit denen er früher zu tun gehabt hatte. Er wusste, dass er den Kerl Stück für Stück auseinandernehmen würde, wenn er den Beweis erhielt, dass er Belle etwas angetan hatte.
Pascal schleuderte den Zigarettenstummel auf den Boden, trat ihn aus und ging in Richtung Boulevard des Capucines. Er schlug ein flottes Tempo an, und es sah aus, als wollte er den Bus erwischen.
Etienne blieb ein gutes Stück zurück, und als er sah, wie sich Pascal zu den anderen Wartenden an der Bushaltestelle gesellte, hielt er eine Droschke auf und bat den Fahrer zu warten, bis der Bus kam, und ihm dann zu folgen.
Es war ein schöner, milder Abend, und auf den Straßen herrschte reger Verkehr. Manchmal befürchtete Etienne, der Kutscher könnte den Bus verlieren, weil sich immer wieder Wagen und Fuhrwerkedazwischenschoben. Aber als sie sich dem Gare du Nord näherten, sah er Pascal aus dem Bus steigen. Einen Moment lang glaubte Etienne, der Mann würde zum Bahnhof gehen und mit dem Zug weiterfahren, und fluchte, weil es dann schwer sein würde, ihm zu folgen. Aber als Etienne den Kutscher halten ließ und ihn bezahlte, sah er Pascal auf dem Boulevard Magenta in die Richtung der Gasse gehen, in der sich Garrows kleines Bestattungsunternehmen befand.
Aber so weit ging Pascal gar nicht. Stattdessen bog er erst links in eine Seitenstraße ein, dann rechts. Etienne hielt sich gut zwanzig Meter hinter ihm, und zum Glück waren so viele Leute unterwegs, dass Pascal nicht auffiel, dass er beschattet wurde. Sie waren jetzt in einer schmalen Straße mit hohen Wohnhäusern, und in einem davon verschwand Pascal.
Etienne wartete einen Moment, bevor er ins Treppenhaus schlüpfte. Das Haus war wie unzählige andere in Paris: düster und muffig, mit gekacheltem Boden, schmuddeligen Wänden und einer schmalen Treppe, die zu den fünf oberen Stockwerken führte. In einer Nische unter dem Treppenaufgang waren ein paar Fahrräder abgestellt.
Im Eingangsbereich hingen zwölf Postfächer, und da Pascals Name auf dem vierten stand, schien er tatsächlich hier zu wohnen. Etienne vermutete, dass es pro Etage zwei Wohnungen gab. Die von Pascal befand sich demnach im ersten Stock.
Ein bisschen enttäuscht notierte Etienne sich die Adresse auf einem Stück Papier und steckte es ein. Er hatte erwartet, dass der Mann etwas luxuriöser wohnte. Immerhin hatte er allein mit Belle sehr viel Geld verdient.
Er wartete bis kurz nach neun auf der Straße, aber als Pascal sich nicht mehr blicken ließ, schien festzustehen, dass er sich zur Ruhe begeben hatte. Etienne beschloss, sich zu Philippes Restaurant fahren zu lassen und einen weiteren Kutscher damit zu beauftragen, Noah abzuholen, damit der Abend nicht völlig vergeudet war.
Philippe Le Brun begrüßte Etienne mit großer Herzlichkeit im seinem Lokal Le Petit Poulet . Es war ein traditionelles Pariser Restaurant, ein langer und schmaler Raum, und es war gut besucht. Philippe führte ihn zu einem Tisch, den er
Weitere Kostenlose Bücher