Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
nicht zusammenzubrechen und Noah zu gestehen, dass sie Etienne liebte und es nicht ertragen konnte, nach London zu fahren. Aber Noah war schon so aufgeregt wegen der Wiedervereinigung mit ihrer Familie, und nach allem, was er auf sich genommen hatte, um sie zu finden, wäre es nicht fair gewesen, ihn zu enttäuschen oder zu beunruhigen. Und es wäre grausam Annie, Mog und Jimmy gegenüber, die bestimmt schon alles für ihre freudige Wiederkehr vorbereiteten.
Und dann war da noch Gabrielle. Heute Morgen beim Abschied hatte Belle gemerkt, wie viel sie dieser Frau bedeutete, und welche Hoffnungen sie in Belles Zukunft in England setzte.
Belle verdankte ihr viel. Ohne Gabrielles Bemühungen wäre ihre Leiche irgendwann aus der Seine gefischt worden oder in einem verborgenen Grab vermodert. Aber es war nicht nur Dankbarkeit, die sie für die Frau empfand, die so wenig sprach, aber so viel für sie getan hatte. Gabrielle hatte ihr gezeigt, dass man selbst nach schlimmen Schicksalsschlägen ein neues und besseres Leben anfangen konnte. Sie hatte Belle von ihrer Zeit als Hure erzählt, von dem Mann, der ihr fast die Kehle durchgeschnitten hatte, und von Lisettes liebevoller Pflege. Auch ihr hatte es das Herz gebrochen, als der Maler, den sie liebte, starb. Sie sagte, wenn sie Henri nicht gehabt hätte, hätte sie sich das Leben genommen.
»Vielleicht sehen wir uns nie wieder«, sagte sie, als sie Belle umarmte. »Du bist hier natürlich jederzeit willkommen, aber ich verstehe, dass es in Paris zu viele schlimme Erinnerungen für dich gibt. Aber vergiss nie, wie lieb ich dich habe und wie sehr ich mir wünsche, dass deine Träume in Erfüllung gehen. Du hast mehr für mich getan, als du ahnst.«
Nein, sagte sich Belle, es gab kein Zurück. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und wandte ihre Aufmerksamkeit Noah zu, um nicht mehr an Etienne zu denken.
»Kommt Lisette nun nach England?«, erkundigte sie sich. Noah hatte sich in der vergangenen Woche zweimal mit ihr getroffen, aber kaum darüber geredet.
»Sie hat gesagt, dass sie Frankreich gern verlassen würde, vielleicht aber nicht den nötigen Mut aufbringt.«
»Weil sie nicht glaubt, dass Sie es wirklich ernst meinen«, vermutete Belle. »Eine Frau mit Kind braucht das Gefühl von Sicherheit. Das müssen Sie ihr geben, indem Sie sie mit Briefen bombardieren, in denen nur Gutes über London steht. Versichern Sie Lisette, dass sie Ihnen gegenüber zu nichts verpflichtet ist und dass Sie sich schon darauf freuen, ihren Sohn kennenzulernen. Das müsste klappen.«
Noah lächelte. »Wenn Sie es sagen, klingt es ganz leicht. Aber leider habe ich nicht genug Zeit mit Lisette verbracht, um ihr zu beweisen, dass ich kein Schürzenjäger bin, sondern ein verlässlicher Mann, der es ehrlich meint.«
»Das müsste sie Ihnen eigentlich sofort ansehen können«, sagte Belle, für die Noah mittlerweile so etwas wie ein Bruder war. Sie mochte seine Offenheit und seinen Enthusiasmus und die Tatsache, dass er völlig unkompliziert war und keine dunklen Abgründe in ihm schlummerten. »Und in England wäre ich in der Nähe, wenn sie mal Sehnsucht nach weiblicher Gesellschaft hat oder einfach nur jemandem ihr Herz ausschütten will. Und Mog natürlich auch – sie wird Lisette mit offenen Armen empfangen, weil sie so lieb zu mir war.«
»Und was ist mit Ihnen und Jimmy?«, fragte Noah geradeheraus. »Das Telegramm, das er geschickt hat, klang, als würde er die Minuten zählen, bis Sie da sind.«
Belle wand sich innerlich. Auch sie hatte gespürt, dass Jimmys Erwartungen sehr groß waren, und angesichts ihrer Gefühle für Etienne belastete sie das ziemlich. »Sie müssen mir versprechen, ihm nicht zu viel über Etienne zu erzählen. Ich werde es ihm irgendwann schonend beibringen.«
»Geben Sie ihm eine Chance«, sagte Noah eindringlich. »Wie ich es sehe, ist Etienne ein Tiger, stark, mutig und edel, aber auch gefährlich. Jimmy mag eher eine Hauskatze sein, aber er ist klug, liebevoll, stolz und loyal, und er würde Sie mit wahrem Löwenmut verteidigen. Verschließen Sie nicht Ihr Herz vor ihm, ehe Sie ihn gesehen haben und ihn wieder ein bisschen kennenlernen.«
»Das werde ich nicht«, versicherte Belle. Dann lehnte sie sich zurück, schloss die Augen und tat so, als versuche sie zu schlafen. Sie wollte sich an die Worte erinnern, die Etienne auf Französisch zu ihr gesagt hatte.
Den ersten Teil, dass er dem Feuer trotzen würde, hatte sie verstanden, aber nicht den
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