Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
das Gefühl, dass er sich in ihrer Gesellschaft langweilte.
Und schließlich erlebte Belle doch noch den Frühling in Paris, denn sowie sie ins Mirabeau zurückkehren durfte, unternahm Etienne regelmäßig Ausflüge mit ihr.
Bisher kannte sie Paris nur grau und winterlich, aber jetzt waren die Obstbäume übersät mit rosa und weißen Blüten, und die Sonne schien auf Beete voller leuchtend gelber und roter Tulpen. Die Menschen hatten ihre schweren, dunklen Wintersachen abgelegt, und es war schön, sie über die von Bäumen gesäumten Boulevards schlendern zu sehen, die Damen in eleganten pastellfarbenen Kleidern und kecken Frühlingshüten, die Herren in hellen Anzügen.
Sie hatten eine Bootsfahrt auf der Seine gemacht und einen Spaziergang durch den Bois de Boulogne, Versailles besichtigt und den Eiffelturm bestiegen. Fast war es, als wären sie nur eines der vielen verliebten jungen Pärchen, die überall in der Stadt unterwegs waren.
Aber Belle war sich schmerzlich bewusst, dass sie nach allem, was sie erlebt hatte, nicht mehr auf eine derart unschuldige Beziehung hoffen konnte. Sie hörte Mädchen auf der Plattform des Eiffelturms kichern und kreischen und beobachtete, wie ihre Begleiter ihnen schützend einen Arm um die Taille legten, wenn sie das Panorama von Paris betrachteten, das so weit unter ihnen lag. Sie konnte genauso kichern, und Etienne konnte sie genauso halten, aber die Summe all dessen, was sie beide über die Abgründe des Lebens wussten, schloss eine solche Romanze aus.
»Natürlich schreibe ich dir, aber ich warne dich, mein schriftliches Englisch ist nicht sehr gut«, sagte Etienne. »Aber es wäre nicht klug von mir, nach England zu kommen. Ich werde dich immer an die Vergangenheit erinnern, und das ist nicht gut für dich.«
Belle starrte ihn empört an. An dem leichten Schwanken in seiner Stimme erkannte sie, dass sein Herz etwas ganz anderes sagte als sein Mund.
»Aber ich brauche dich!« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Willst du mir etwa sagen, dass ich dich vergessen soll?«
»Du musst es wenigstens versuchen, meine Kleine«, sagte er. »Genau wie ich versuchen werde, dich zu vergessen. Ich weiß, dass ich nicht der Mann bin, den du brauchst.«
Der Schaffner gab mit seiner Pfeife das Signal zur Abfahrt des Zugs, und Noah brüllte aus dem Zugfenster, dass Belle sich beeilen solle.
»Du musst gehen. In England wartet deine Familie auf dich«, sagte Etienne.
Am liebsten hätte Belle mit dem Fuß aufgestampft und sich geweigert zu gehen, bis er ihr seine Liebe gestand und versprach, in wenigen Wochen bei ihr zu sein. Aber die Traurigkeit in seinen Augen sagte ihr, dass er so etwas nie aussprechen würde, weil er überzeugt war, das Richtige zu tun, wenn er ihr endgültig Lebewohl sagte.
»Dann sag wenigstens noch etwas auf Französisch zu mir«, bat sie ihn und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn auf den Mund zu küssen.
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und erwiderte unendlichzärtlich ihren Kuss. » Je défie les incendies, les inondations, et même l’enfer pour être avec vous«, wisperte er, bevor er sie losließ. »Und jetzt geh!«
Zögernd bewegte sich Belle zur Waggontür, wo Noah ihr hektisch zuwinkte. Dann drehte sie sich ein letztes Mal zu Etienne um. » Au revoir, mon héros «, sagte sie und sah, dass ihm genau wie ihr Tränen in den Augen standen.
»Belle, kommen Sie schon!«, schrie Noah, als der Schaffner die Fahne schwenkte.
Etienne musste sie in den Zug schubsen, der sich bereits in Bewegung setzte. Sie lehnte sich aus dem Fenster und warf ihm eine Kusshand zu, während er neben dem Zug herlief und ihr etwas zurief, das sie nicht verstehen konnte. Der Rauch der Dampflok verbarg sein Gesicht fast ganz.
Sie winkte, bis er nur noch ein kleiner Punkt in der Ferne war, und erst dann war sie bereit, zu Noah zu gehen.
Er hatte ein freies Abteil gefunden. Als sie hereinkam, erzählte er ihr lachend, wie er überall Sachen verteilt hatte, um andere Fahrgäste davon abzuhalten, sich zu ihnen zu setzen. Aber als er merkte, dass sie weinte, verstummte er und reichte ihr sein Taschentuch.
Belle wischte sich die Augen trocken und rieb Rußflecken von ihren Wangen. »Wenn ich den Kopf aus dem Fenster stecke, tränen mir immer die Augen«, behauptete sie.
»Meine Augen tränen auch manchmal, vor allem, wenn ich mich von Leuten verabschiede, die ich mag«, bemerkte Noah mit einem trockenen Lächeln.
Es kostete Belle alles, was sie an Willenskraft besaß, um
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