Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Hände in seine. »Ich habe dir einen Vorschlag gemacht, mehr nicht. Alles, was ich wirklich will, ist, dass du dich von allem erholst, was du durchgemacht hast. Ich werde immer dein Freund sein und dir helfen, egal, wie du dich entscheidest.«
Als sie in seine goldbraunen Augen blickte, sah sie in ihnen genau das, was sie schon bei ihrer ersten Begegnung gesehen hatte: Aufrichtigkeit.
Sie schlenderten durch den Greenwich Park bis zu den schmiedeeisernen Toren am hinteren Ende, wo Jimmy ihr sagte, dass das weite Grasland, das sich vor ihnen ausbreitete, Blackheath war. Auf dem Teich ließen Kinder ihre Boote schwimmen, die Jungen in Matrosenanzügen, die Mädchen in hübschen Kleidern, und wurden dabei von ihren Müttern beobachtet, von denen einige auf Bänken saßen, andere Kinderwagen schoben.
Hinter der Heidefläche erhob sich auf einer Anhöhe eine Kirche mit einem hohen Turm. Die ganze Szenerie war so weit entfernt von dem Lärm und Schmutz in Seven Dials, dass es Belle die Kehle zuschnürte.
»Meine Mutter war einmal mit mir hier, als ich so groß wie dieser Junge da war.« Jimmy zeigte auf einen ungefähr siebenjährigen Jungen. »Sie hat es nicht ausgesprochen, aber ich habe gespürt, dass sie wünschte, wir könnten an einem Ort wie diesem hier leben, und ich könnte Boote auf dem Teich schwimmen lassen, statt auf der Straße zu spielen. Sie musste sehr hart arbeiten, um uns durchzubringen, aber sie hat sich nie beklagt.«
»Möchtest du deshalb gern hier wohnen?«, fragte Belle.
»Zum Teil schon, denke ich. Ich möchte irgendwann mal selbst Kinder haben und mit ihnen Boote auf dem Wasser schwimmen lassen und Kricket spielen. Aber vor allem möchte ich irgendwoleben, wo alles so weit und offen ist wie hier, um jeden Morgen beim Aufwachen die Vögel singen zu hören und einfach glücklich zu sein.«
»Ich finde, das ist ein guter Vorsatz«, sagte Belle und stellte fest, dass sie sich dasselbe wünschte.
In den nächsten Tagen ertappte sich Belle oft dabei, wie sie an die in Sonnenlicht getauchte Heide, den Teich und die kleinen Segelboote dachte, wenn sie Mog bei der Hausarbeit half. Sie hatte bereits erkannt, dass es bei der großen Konkurrenz in der Oxford Street und Regent Street ziemlich riskant wäre, einen Hutsalon in Seven Dials oder irgendwo in der Nähe zu eröffnen. Blackheath dagegen schien ideal, und sich vorzustellen, dort ein kleines Geschäft zu besitzen, lenkte sie davon ab, darüber nachzudenken, wie sie in den letzten zwei Jahren gelebt hatte und was die nahe Zukunft für sie bereithielt, wenn Kent und Sly verhaftet waren.
Bis jetzt war es der Polizei nicht gelungen, die Männer festzunehmen, und Belle wurde von Tag zu Tag nervöser. Wenn Kent erfuhr, dass sie wieder in England war, bestand durchaus die Möglichkeit, dass er sie aufstöberte und umbrachte. Sie wusste, dass Garth und Jimmy dasselbe befürchteten, weil sie jeden Abend sorgfältig Türen und Fenster schlossen, alles verriegelten und darauf bestanden, dass Belle nie ohne Begleitung aus dem Haus ging.
Jimmy hatte tagsüber und abends viel zu tun, aber wenn das Lokal geschlossen wurde, setzten er und Belle sich in die Küche und redeten. Nach und nach erzählte Belle ihm von New Orleans, Faldo und ihrer Fahrt nach Marseille. Zuerst ließ sie einiges aus und erzählte ihm nur die amüsanteren Teile oder schilderte Situationen, als wäre sie dabei selbst nur eine Beobachterin gewesen. Aber als ihr allmählich klar wurde, dass er nicht leicht zu schockieren war, vertraute sie ihm an, wie es wirklich gewesen war.
»Der Junge hat unglaublich viel Verständnis«, bemerkte Mog an dem Tag, als Jimmy Belle zum Polizeirevier begleitet hatte, wo sie ihre Aussage durchlesen und unterschreiben musste. »Ich nehmean, bei der Arbeit im Lokal hat er alles Mögliche zu hören bekommen – wer hier lebt, bleibt nicht lange unschuldig. Aber er verurteilt niemanden. Ich glaube, das mag ich am meisten an ihm.«
Belle konnte Mog nur recht geben. Sie zog Jimmy sogar damit auf, dass er einen guten Priester abgeben würde.
»Die Beichte abzunehmen, wäre für mich kein Problem«, lachte er. »Aber mit all dem Beten und dem anderen Zeug könnte ich nichts anfangen.«
Belle fragte sich, ob er mit »dem anderen Zeug« das Zölibat meinte. Sie wusste, dass er mit ein paar jungen Frauen ausgegangen war, während sie fort war, aber sie vermutete, dass er noch Jungfrau war. Sein Heiratsantrag ging ihr nie ganz aus dem Kopf und fiel ihr in allen
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