Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
»Wir haben gestern ein Telegramm von unserem Büro in Paris bekommen. Die französische Polizei hat die Leiche des anderen Mädchens gefunden. Aber ich habe so lange an meinem Artikel darüber gearbeitet, dass es zu spät für einen Besuch bei euch wurde.«
Belle bekam eine Gänsehaut. »War sie in Pascals Garten vergraben?«, fragte sie.
»Nein, dort wurde alles umgegraben, aber nichts gefunden. Die Leiche befand sich auf einem leeren Grundstück hinter Sacré-Cœur. Ein Arbeiter fand sie, als der Boden vor Pflasterarbeiten begradigt werden sollte. Man hat sie anhand einer Halskette erkannt, die sie von ihrer Großmutter hatte.«
»Wie ist sie gestorben?«, wollte Garth wissen.
»Müssen wir darüber ausgerechnet beim Essen reden?«, fragte Mog mit bebender Stimme.
Noah entschuldigte sich bei ihr, berichtete aber dennoch, dass das Mädchen stranguliert worden war.
»Aber kann man beweisen, dass Pascal der Täter war?«, fragte Belle.
»Man hat ein paar ihrer Kleidungsstücke in seinem Haus gefunden«, sagte Noah. »Diese Sachen hat sie am Tag ihres Verschwindens getragen, und das scheint für eine Verurteilung zu reichen.«
»Wenn ich bei der Polizei wäre, würde ich ein Geständnis aus ihm herausprügeln«, bemerkte Garth düster.
»Es würde mich nicht weiter überraschen, wenn sie genau das getan hätten«, erwiderte Noah grinsend. »Der Prozess gegen ihn findet demnächst statt. Ich werde nach Paris fahren, um darüber zu berichten.«
»Muss ich auch hin?«, erkundigte sich Belle.
»Das bezweifle ich. Philippe meint, dass Ihre schriftliche Aussage reicht. Madame Sondheim ist inzwischen auch festgenommen worden. Vielleicht müssen Sie bei ihrem Prozess vor Gericht aussagen, aber das dauert noch eine Weile. Man ist immer noch dabei, mehr Beweise gegen sie und die anderen Beteiligten zu sammeln.«
»Und Lisette?«, fragte Belle. »Wird sie aussagen?«
»Das können Sie sie selbst fragen. Sie ist unterwegs nach England.« Noah strahlte übers ganze Gesicht. »Ich habe vor zwei Tagen einen Brief von ihr bekommen. Zu dem Zeitpunkt war sie mit ihrem Sohn und ihrer Tante in der Normandie, und heute in einer Woche treffen sie in Dover ein. Ich muss mir heute noch eine Unterkunft für sie anschauen. Sie ist nicht weit von meiner Wohnung entfernt.«
»Weiß Etienne über all das Bescheid?« Belle konnte nicht anders, sie musste einfach fragen. Sie spürte, dass Jimmys Blick auf ihr ruhte, und hoffte, dass er ihren Eifer nicht bemerkt und erraten hatte, dass es einen Rivalen gab.
»Von der Leiche des Mädchens weiß er vielleicht nichts, aber über Madame Sondheims Festnahme ist er im Bilde – wie es scheint, war er der französischen Polizei eine große Hilfe. Er ist ein mutiger Mann – und jetzt auch ein bedrohter Mann. Aber auf mich hat er immer den Eindruck eines Menschen gemacht, der es als seine Mission sieht, den widerwärtigen Handel mit jungen Mädchen zu beenden, und ich glaube, er macht sich schon lange keine Sorgen mehr um seine eigene Sicherheit.«
Belle erwartete, dass Jimmy eine bissige Bemerkung machen würde, aber das tat er nicht, und dadurch stieg er noch mehr in ihrer Achtung.
Später am Abend, als das Lokal geschlossen war, berichtete Jimmy, dass sich sämtliche Gespräche im Pub um Kent und den Mord an dem Polizisten gedreht hatten.
»Jetzt tun auf einmal alle so, als würden sie Kent gut kennen«, schäumte Jimmy. »Aber als wir ihn vor zwei Jahren aufspüren wollten, hatte keiner dieser feigen Schwachköpfe je etwas von ihm gehört.«
Belle lachte. Sie fand es komisch, dass der gutmütige Jimmy so in Rage kam. »Wahrscheinlich kennen sie ihn in Wirklichkeit gar nicht. So sind die Leute nun mal. Bestimmt behauptet die Hälftevon Londons Einwohnerschaft auch, einen Freund oder Verwandten zu haben, der auf der Titanic untergegangen ist.«
Jimmy gab ihr recht. »Genau das haben wir an dem Tag, als das Unglück bekannt wurde, dauernd zu hören bekommen. Ich wette, als Jack the Ripper sein Unwesen trieb, haben Hunderte Mädchen behauptet, dass sie beinahe eines seiner Opfer geworden wären.«
»Patrouilliert die Polizei immer noch auf den Straßen?«, wollte Belle wissen. Garth hatte ihr verboten, auch nur die Nase aus der Tür zu stecken.
»Ja, es wimmelt nur so von Polizisten, und jetzt beschweren sich die Leute schon darüber. Die Geschäftsleute sagen, dass es die Leute vom Einkaufen abhält, die Straßenmädchen bekommen keine Kundschaft und die Taschendiebe keine
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