Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
eine wunderbare Stadt«, sagte er mit unverhohlener Begeisterung. »Sie wurde von den Franzosen gebaut, mit eleganten Herrenhäusern, schönen Gärten und Plätzen. Ich denke, es wird dir gefallen.«
»Vielleicht – wenn ich mich erst einmal daran gewöhnt habe, mich zu verkaufen«, gab sie schroff zurück.
Er lächelte trocken. »Weißt du, Belle, ich habe das Gefühl, dass du klug genug bist, um die Leute, die dich gekauft haben, davon zu überzeugen, dass du ihnen in einer anderen Rolle mehr Geld einbringst.«
»Was könnte ich denn sonst machen?«, fragte sie.
Etienne dachte nach. »Tanzen, singen, im Foyer oder in der Garderobe arbeiten. Keine Ahnung, aber denk einfach mal drüber nach und lass dir was einfallen. Hat bei deiner Mutter im Haus keine Frau gearbeitet, die nicht mit Männern ins Bett ging?«
»Na ja, bloß Mog. Ich habe Ihnen schon von ihr erzählt«, sagte Belle. »Meine Mutter bezeichnete sie als Dienstmädchen, aber sie war auch unsere Haushälterin und Köchin. Abends arbeitete sie oben im Salon. Ich glaube, sie hat die Männer ins Haus gelassen und ihnen Drinks serviert, aber sie hat mit mir nie darüber gesprochen, was sie eigentlich tat.«
»Ein Dienstmädchen in einem Bordell kümmert sich normalerweise ums Geld und passt auf die Mädchen auf«, erklärte Etienne. »Das ist eine wichtige Aufgabe; man muss diplomatisch und einfühlsam sein, aber notfalls auch durchgreifen können. Warum nimmst du an, dass deine Mog nichts mit den Männern zu tun hatte?«, fragte er und zog eine Augenbraue hoch.
»Na ja, sie ist nicht sehr hübsch«, gestand Belle und hatte sofort ein schlechtes Gewissen.
Etienne lachte und beugte sich vor, um eine verirrte Locke aus ihrem Gesicht zu streichen. »Das kann man von dir wirklich nicht behaupten! Aber du hast einen scharfen Verstand, und das könnte in einer Stadt voll hübscher, aber träger, habgieriger und ziemlich dummer Mädchen von Vorteil sein.«
Belle hatte sich bereits zusammengereimt, dass ihr neuer Besitzer einen sehr hohen Preis für sie bezahlt haben musste. Die Reisekosten allein stellten eine höhere Summe dar, als sie ihrer Meinung nach je verdienen würde. Sie war verwirrt, weil es keinen Sinn ergab, dass jemand ein englisches Mädchen kaufte, das er nicht einmal kannte, wenn es in den Südstaaten Amerikas unzählige hübschere und fügsamere Mädchen geben musste.
Aber es bedeutete wohl, dass sie als etwas Besonderes galt. Vielleicht hatte Etienne recht, und sie konnte etwas aus dieser Situation machen.
Aber was hatte sie zu bieten? Sie konnte singen, aber sie war nicht brillant. Der einzige Tanz, den sie kannte, war die Polka, und ein Musikinstrument beherrschte sie auch nicht. Ihr fiel beim besten Willen nichts ein, womit sie auf andere Eindruck machen könnte.
Mog hatte kurz nach Millies Ermordung gesagt, Millie sei das beliebteste Mädchen im Haus gewesen, und Belle war oft aufgefallen, dass Mog und Annie sie mit mehr Lob, Zuneigung und kleinen Vergünstigungen bedachten als jedes andere Mädchen. Sie wusste mittlerweile, dass das bedeutete, dass Millie ihnen mehr Geld eingebracht hatte, aber worin bestand der Unterschied zwischen Millie und den anderen? Belle wollte ganz bestimmt keine Hure sein, aber wenn ihr schon nichts anderes übrig blieb, wollte sie lieber eine gute sein, für die die Männer mehr bezahlten.
Wie in aller Welt sollte sie herausfinden, was eine gute Hure ausmachte? Sie hatte das Gefühl, dass Etienne es wusste, aber sie genierte sich, ihn danach zu fragen.
Zwei Tage, bevor sie in New York anlegen sollten, machte Etienne mit Belle einen Spaziergang an Deck. Es war kalt und windig, aber die Sonne schien, und es tat gut, an der frischen Luft zu sein und zu beobachten, wie die Möwen um das Schiff kreisten und jagten.
»Wir haben zwei Tage in New York, bevor wir an Bord des Schiffs nach New Orleans gehen«, sagte er, als sie sich beim Bug an die Reling lehnten und die schäumende Bugwelle des Schiffs betrachteten. »Ich biete dir zwei Möglichkeiten an. Entweder du bleibst zusammen mit mir im Hotelzimmer eingesperrt, oder du versprichst mir, nicht wegzulaufen, und ich zeige dir die Sehenswürdigkeiten.«
Belle hatte bereits gelernt, dass Etienne ein Mann war, der sein Wort hielt, und es gefiel ihr, dass er bereit war, ihr zu vertrauen.
»Ich verspreche, nicht wegzulaufen, wenn Sie mir erlauben, eine Karte nach Hause zu schreiben, damit Mog und meine Mutter wissen, dass ich noch am Leben bin«, erwiderte
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