Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Geld zu machen. Von den reichen Männern, denen die eleganten Spielsalons gehörten, wo jede Nacht Tausende Dollars den Besitzer wechselten, über die »Madames«, die exklusive Freudenhäuser führten, bis zu den Droschkenfahrern, die pro Fahrt nur ein paar Cent verlangten, und den Musikern, die in den Bars oder auf der Straße spielten, drehte sich im Bezirk alles nur um Geld.
Aber im Gegensatz zu London oder New York, wo vor allem Männer das Sagen hatten, war es hier auch Frauen möglich, an die Spitze zu gelangen. Sie kamen von überall aus Amerika und der ganzen Welt. Viele von ihnen waren natürlich »Madames«, aber noch mehr hatten Geschäfte oder andere Betriebe – sie besaßen Hotels, Bars und Restaurants. Belle hatte gehört, dass die meisten von ihnen ohne einen Cent in der Stadt gelandet waren und sichihr Startkapital mit Prostitution verdient hatten, aber das beeindruckte sie umso mehr, weil es bewies, dass mit Einsatz und Entschlossenheit jeder sein Glück machen konnte.
Belle hatte das Gefühl, dass auch sie es schaffen könnte. Erstens war sie Engländerin, was hier als Besonderheit galt. Ohne eingebildet zu sein, konnte sie sehen, dass sie noch dazu hübscher als die meisten Mädchen war, und sie hatte ihre Jugend als Pluspunkt. Aber vor allem war sie intelligent. Zu Hause war ihr das nie sonderlich bewusst gewesen, weil sie kaum Vergleichsmöglichkeiten hatte. Hier merkte sie jeden Tag, dass sie den anderen Mädchen an Verstand haushoch überlegen war. Wie Etienne gesagt hatte, waren die meisten dumm, faul und habgierig.
Mog und Annie hatten beide gern gelesen und Belles Interesse an Literatur und anspruchsvollen Zeitungen gefördert, aber bisher war ihr nicht klar gewesen, dass das für ein Mädchen mit ihrem Hintergrund ungewöhnlich war. Sie erinnerte sich, wie verwundert die Dienstmädchen in dem Haus in Paris gewesen waren, weil sie die Bücher las, die im Zimmer lagen. Genauso hatte es Etienne überrascht. Das Lesen hatte ihr in vielen Bereichen Wissen vermittelt, zum Beispiel in Geschichte und Geografie, und ihr einiges über das Leben anderer Menschen beigebracht.
Keines von Marthas Mädchen las; tatsächlich hatte Belle den Verdacht, dass sie gar nicht lesen konnten, denn sie blätterten nur in den Magazinen, um sich die Bilder anzuschauen. Sie hatten sehr wenig Bildung und kaum Interesse an Dingen, die über die neueste Mode oder Klatsch im Bezirk hinausgingen. Betty hatte geglaubt, England wäre in der Nähe von New York. Anna-Maria dachte, Mexiko läge direkt hinter dem Mississippi. Das Einzige, was sie alle erstrebten, waren Liebe und die Ehe. Sie wünschten sich einen Mann, der ihnen ein hübsches Haus und Kinder schenkte, und obwohl Belle diesen Wunsch verständlich fand, fragte sie sich, wie sie dieses Ziel je erreichen wollten. Sie mussten doch wissen, dass nur wenige Männer eine Prostituierte heiraten würden!
Belle hatte nicht den Ehrgeiz, wie ein kleines Schoßtier gehaltenzu werden. Sie wollte jedem Mann ebenbürtig sein. Noch wusste sie nicht, wie sie das schaffen sollte, aber einstweilen wollte sie die Männer eingehend studieren und alles über sie lernen.
Es dauerte ungefähr zehn Minuten, bis Betty mit einem Gentleman an der Hand ins Zimmer kam. Betty war eine kleine Rothaarige mit üppigen Kurven, heller, sahniger Haut und großen blauen Augen, deren Unschuld ihre derbe Ausdrucksweise Lügen strafte.
Ihr apfelgrünes Seidenkleid bedeckte nur knapp ihren drallen Busen, und als sie die Tür schloss, zog sie das Mieder nach unten und legte die Hände des Mannes auf ihre Brüste. »Gefallen sie dir, Schätzchen?«, fragte sie ihn mit einem herausfordernden Blick.
»Und wie«, sagte er mit belegter Stimme, die dunklen Augen unverwandt auf ihre Brüste gerichtet. »Ich kann kaum erwarten, was du sonst noch für mich hast.«
Er war nicht älter als vierundzwanzig, dunkelhaarig und schlank, mit Schnurrbart und sonnengebräunter Haut. Er war nicht wirklich hübsch, aber er hatte ein nettes Gesicht.
»Tja, Schätzchen, dann gib mir zwanzig Dollar, zieh die Hosen aus und mach dich für einen Besuch im Paradies bereit.«
Belle hätte beinahe gelacht, denn Betty wusste, dass sie beobachtet wurde, und der letzte Satz klang, als käme er direkt aus einem Handbuch für Huren.
Der Mann gab ihr das Geld, Betty öffnete die Tür und gab es Cissie, schloss die Tür, lehnte sich daran und lächelte den Mann verführerisch an.
»Dann lass mal sehen, was du für mich hast«,
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