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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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Anstaltengemacht, sich dafür zu entschuldigen, dass er in gewisser Weise ihren Mann nun verdrängen würde. Sie hatte ihm verboten, so zu sprechen. Höflich könne er gerne sein, aber die Wahrheit auf den Kopf stellen müsse er nicht. Ihr Mann wäre der Erste gewesen, der sich um seine Nachfolge gesorgt hätte. Boff solle alles tun, was er glaubte, tun zu müssen. Er solle auch ruhig Katarina fragen, denn einiges wisse sie auch, weil das nicht ausbleiben könne in sechzehn Jahren als Physicus. Die Frau war stark und klug, Boff spürte das, jeder hätte das gespürt. Aber wenn Tänzer sterben würde, würde sie ihm bald folgen. Sie hatte keinen Abstand, sein Tod würde sie mit in den Strudel reißen. Es gab solche Paare, wo, wenn einer starb, beide aufhörten zu leben. Boff fand die Vorstellung hinreißend schön und unfassbar grausam. Beides zugleich.
    Als er die Wohnung der Tänzers verließ, kannte er zehn seiner künftigen Patientinnen, obwohl er sie noch nicht gesehen hatte. Zuletzt, schon in der Tür stehend, sagte Katarina: »Dass Ihr so ausseht, wie Ihr ausseht, wird auch nicht von Schaden sein.«
    Und damit meinte sie nicht die lange Narbe, die Katarina Tänzer nicht weniger faszinierend fand als jede andere Frau.

7
    Punkt sieben schloss Stine die Tür auf. Dies war die Uhrzeit, an die die Patientinnen gewöhnt waren, seit sechzehn Jahren.
    Zehn nach sieben sagte Stine: »Oh, oh.« Das war der Moment, in dem sie unruhig wurde und es fortan blieb. Boff und Hermine waren zu diesem Zeitpunkt noch mit den Vorbereitungen beschäftigt. Als alles getan war, straffte sich Boff. Erwartungsvoll öffnete er die Tür – um mit verdutztem Gesicht das leere Wartezimmer zu bestaunen.
    Stine, die im kleinen Nebenraum saß, warf dem Doctor einen Blick zu, den er an ihr bisher noch nicht wahrgenommen hatte.
    »Was ist denn?«, fragte er. »Alle Türen offen? Gesicht freundlich?«
    »Ich bin stets freundlich«, knurrte Stine. »Ich muss mich nur erst an diesen … diesen … was immer das ist, daran muss ich mich erst gewöhnen.«
    »Wir wollen es ›Kittel‹ nennen«, schlug Boff vor.
    »Klingt schöner als ›Sack‹. Sieht aber genauso aus wie ein Sack.«
    »Das trägt man jetzt in den großen Städten«, behauptete Boff aufmunternd. »In Paris und Rom und natürlich auch in London.«
    »Erwarten wir Patienten aus London?«
    Um acht trat Boff in den Hausflur, er stieg die kurze Treppe hinab, er stand an der Haustür, die aus schierem Holz war. Er packte den großen Griff und zog die Tür zu sich heran. Im gleichen Moment stob die Menge nach allen Richtungen auseinander. Es handelte sich um fünfzig Personen, wahrscheinlichwaren es noch mehr. Fast alle Frauen. Die jüngsten eilten im Laufschritt davon. Die Hälfte war dafür zu gebrechlich oder zu alt. Sie schleppten sich, zogen ein Bein nach, winkelten die Arme an, als würden sie laufen. Dabei bereitete es ihnen Mühe, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Boff sah sich einem Mann gegenüber. Er lächelte den Doctor furchtlos mit den vier Zähnen an, die ihm geblieben waren, zog etwas im Hals hoch und rotzte es zur Seite.
    »Schöner Wettlauf«, sagte der Mann gemütlich.
    »Was haben die Leute denn bloß?«
    »Ich habe die Pfeiffersche seit Jahren nicht mehr laufen sehen. Streng genommen habe ich sie überhaupt noch nie laufen sehen. Seid Ihr der Doctor?«
    »Sieht man mir das an?«
    »Ihr habt das Zeichen, das keinen Zweifel lässt. Schläge gekriegt? Einem Pferd in die Quere geraten? Einer Frau widersprochen?«
    »Sagt mir lieber, wo die Leute geblieben sind.«
    »Hinter der nächsten Ecke werdet Ihr sie finden. Aber wenn sie Euch sehen, werden sie wieder das Rennen anfangen.«
    »Wie kriege ich sie dazu, dass sie das unterlassen?«
    »Wie? Gar nicht. Ihr seid in Halle. Hier brauchen die Menschen Zeit, bis sie sich an Neues gewöhnen.«
    »Und was sollte das sein, das Neue?«
    »Ihr seid gut. Ihr seid es doch.«
    »Ich bin nur ein Doctor. Ihr kennt doch Tänzer, oder nicht?«
    »Jeder kennt Tänzer.«
    »Ich vertrete ihn, solange er krank ist. Ich mache alles genauso wie er.«
    »Gebt Ihr mir das schriftlich?«
    »Bitte was?«
    »Schriftlich. Schreiben. Das könnt Ihr doch.«
    »Mann, wie stellt Ihr Euch das vor?«
    »Ich stelle mir das so vor. Ihr schreibt, ich bringe den Angsthasen den Zettel, und damit ich den Weg finde, gebt Ihr mir eine kleine Anerkennung für meine Mühe.«
    »Ihr seid ein Schlawiner. Was seid Ihr denn von Beruf? Oder was seid Ihr in

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