Doctor Boff - Weiberkranckheiten
einen reizvollen Gedanken, aber er riss sich zusammen und sagte: »Das sind Kollegen von mir. Sie handeln in meinem Auftrag.«
Westermann zuckte zusammen. »Was? Aber nein. Wir handeln nicht in seinem Auftrag«, sagte er zu dem Beschützer.
»Aber ja«, beharrte Boff. »Ihr tut etwas für die Verbesserung der ärztlichen Versorgung in Halle. Ist das nicht genau meine Aufgabe? Müsste ich Euch nicht schärfstens tadeln, weil Ihr mir in mein Handwerk pfuscht? Aber ich mache es nicht, weil Ihr in meinem Sinne handelt. Nur weiter so, Kollegen, wir ziehen alle an einem Strick.«
»Dann nichts für ungut«, murmelte der Beschützer und empfahl sich.
»Was soll das?«, fragte Westermann gereizt. Er war gekommen, um sich als souveräner Anstifter der Kampagne darzustellen, der alles in der Hand hatte. Jetzt hechelte er den letzten Aussagen hinterher, um sie richtigzustellen.
»Ihr wollt mich doch unterstützen«, behauptete Boff mit einer Arglosigkeit, die nur jemand für glaubhaft halten konnte, der ihn nicht kannte.
Westermann dachte fieberhaft nach. Er hatte vorgehabt, Boff anzupinkeln und ihm mit lässig hingeworfenen Bemerkungen deutlich zu machen, dass er überflüssig sei und die akademischen Ärzte an der Zukunft arbeiteten, während er als Physicus bestenfalls die laufenden Geschäfte führte, für die sich sowieso niemand interessierte. Nicht einmal auf dem Rathaus. So hatte sich das der schlaue Westermann gedacht. Jetzt musste er aufpassen, kein falsches Wort zu sagen. Bisher war von keinem Mediziner ein kritisches Wort zu Boff übermittelt worden. Westermann wollte nicht der Erste sein, denn der Erste warerfahrungsgemäß derjenige, der zwischen die Fronten geriet und zu Krümeln zerrieben wurde.
»Wir kümmern uns um uns«, entgegnete Westermann. Es klang lahm, er merkte das selbst, sein Begleiter blickte ihn erstaunt an.
»Aber du hast doch gesagt …«, hob er an, sah Westermanns Blick und verstummte.
»Er will kein Lob«, sagte Boff lächelnd. »Er will das Gute tun, aber er will nicht, dass darüber öffentlich geredet wird.« Vertraulich boxte er Westermann gegen den Arm.
»Danke, Mitarbeiter«, sagte er verschwörerisch. »Alles läuft, wie wir es abgemacht haben. Das ist wie bei einer Operation. Die gute Vorbereitung ist der halbe Erfolg.«
Die Besatzungen der benachbarten Tische hörten hingebungsvoll zu. Westermann fiel der Traum ein, in dem er bei der Wanderung im Gebirge in die Steinlawine geriet, von tausend und abertausend Steinen wie von einer Welle davongetragen wurde und auf ihnen Richtung Tal rutschte. Er wusste, dass am Ende der Tod auf ihn wartete, aber es gab nichts, was er dagegen unternehmen konnte.
Westermann stand auf. »Ihr macht das schon«, murmelte er mit schwer gewordener Zunge. Auch sein Begleiter erhob sich. »Unser Schicksal ist bei Euch in den besten Händen«, fuhr Westermann fort. Er sah aus, als würde er gleich weinen. Dann floh er, sein Begleiter eilte hinterher.
»Hat es den beiden etwa nicht geschmeckt?«, fragte der Wirt. Er hasste Teller, die nicht abgefressen waren.
Rohwedder bohrte mit einem kleinen Stock in seinen Zähnen und murmelte: »Sie haben gesagt, so einen Fraß haben sie noch nie im Leben vorgesetzt bekommen. Ihr wisst hoffentlich, wie Ihr mit ihnen verfahren werdet, wenn sie sich hier noch einmal sehen lassen sollten.«
»Das weiß ich«, knurrte der Wirt. »Oh ja, das weiß ich. Und die beiden werden es nicht vergessen.«
Boff sah Rohwedder tadelnd an: »Man muss sich ja schämen mit dir.«
Rohwedder, nicht eingeschüchtert, entgegnete: »Bevor ich Euch kannte, war ich derjenige, der am besten mit Worten war. Ihr aber seid der Teufel. Das ist auch der Grund, warum Hermine Angst vor Euch hat. Sie fürchtet, dass sie sich Tag für Tag an Euch abarbeiten würde und nie über die Barrikaden klettern könnte, die Ihr aus Wörtern errichtet.«
»Ich bin eine Frau. Ich muss nicht reden. Ich kriege die Männer auf andere Weise.«
»Die Männer, die Ihr bisher gehabt habt. Jetzt wollt Ihr aber Boff, das ist ein anderes Kaliber. Ich wünsche Euch viel Spaß. Mit Boff zu reden, ist, wie eine fremde Sprache zu sprechen. Bevor man sie spricht, muss man sie lernen. Habt Ihr schon damit angefangen?«
Sie funkelte Rohwedder an, griff zum Messer und stieß es ihm in den Handrücken. Nicht stark, nur so, dass es wehtat. Und blutete. Er hielt ihr die Hand vors Gesicht, sie begann, das Blut zu saugen. Er schloss die Augen und sagte zufrieden:
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