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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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Kollege schlug vor, Boff des Missbrauchs von Patientinnen anzuklagen. Aber damit fand er keine Freunde.
    »Keine Übertreibungen«, warnte Sattler. »Wenn dieser Vorwurf erhoben wird und fünfhundert Frauen es auf ihren Eid nehmen, dass der Mann ein Heiliger ist, ist der Schuss nach hinten losgegangen. Wollen wir das? Na bitte. Wohlsein!«

38
    Zwei Tage später begann es. Vor der Hütte des Heilers auf der Wiese im Süden der Stadt brannte ein Holzstapel. Das war an sich nicht ungewöhnlich und kam hier häufiger vor. Aber der Heiler schwor Stein und Bein, dass gestern vor seiner Hütte kein einziges Stück Holz gelegen hatte. Das Feuer wurde schnell gelöscht, weil alle Nachbarn zusammenhielten, aber nun war der Heiler eine öffentliche Figur und fühlte skeptische Blicke auf seinem Rücken brennen.
    Auf dem Platz zu Füßen der Marktkirche kam es an der Bühne eines Zahnreißers zu Zwischenrufen und Provokationen. Der Heiler rang gerade mit einem Patienten, dem er nach dem ersten gleich einen zweiten Zahn ziehen wollte, obwohl der Patient blutbesudelt war und um Gnade bat. Ein Zwischenrufer forderte den Zahnreißer auf, für die saubere Kleidung des Patienten zu sorgen. Das war eine absurde Idee, aber der Zahnreißer nahm die Herausforderung an und verstrickte sich in eine hitzige Debatte, die ihn die drei wartenden Männer kostete und eine Bande frecher Jungen dazu animierte, sein Podest anzusägen. Niemand kam zu Schaden, aber nach den Vorfällen auf anderen Plätzen sah es so aus, als könne ein Heiler in Halle nur noch mit Einschränkungen seiner Profession nachgehen.
    Die Zeitung zählte jeden Vorfall auf, vergaß keinen einzigen und gefiel sich darin, in betont sachlicher Weise die Abläufe zu schildern. So entstand der Eindruck einer Automatik: Wenn ein Heiler in Halle zu seinen Instrumenten griff, war die Störung nicht mehr fern. Der Heiler konnte seinem Patienten nicht garantieren, dass die Behandlung in Ruhe und mit Konzentration ablaufen werde. Ein Heiler, der sich gerade eine lautstarkeAuseinandersetzung mit Störern geliefert hatte, konnte nicht eine Minute später mit ruhiger Hand spitze Instrumente ansetzen. An keiner Stelle stand in der Zeitung, dass man sich als Patient in Gefahr begeben würde, aber am Ende der Berichterstattung sah jeder Leser die beziehungsreichen drei Punkte, die es dem Leser überließen, sich zu denken, was offen zutage lag. Wer krank war und zu einem Heiler ging, besaß gute Chancen, noch kränker von ihm zurückzukehren.
    In diesen Tagen gaben sich die Praxen der akademischen Ärzte viel Mühe. Man schloss früher die Türen auf und sperrte abends später ab. Man befleißigte sich eines ausgesucht höflichen Tonfalls, zwei Ärzte hatten ihre Helfer ausgetauscht, die monatelang durch ihre herrische Art unangenehm aufgefallen waren. Das Beste kam zuletzt: Die Ärzte verlangten weniger Honorar als bisher. Jahrelang unveränderte Sätze wurden von heute auf morgen ermäßigt und dies flächendeckend von allen Ärzten. Ein Einziger tanzte aus der Reihe und behauptete, seine Arbeit sei heute genauso viel wert wie gestern. Die Patienten husteten ihm was. Eine Woche hielt er seine renitente Art durch, dann knickte er ein und kurierte ebenfalls preiswert.
    Natürlich gewannen die Ärzte damit nicht die armen Patienten, für die jede Honorarforderung zu teuer war, wenn sie nicht mit Sachmitteln und Tausch abgegolten werden konnte. Aber sie gewannen einige, die bisher zu den Heilern gegangen waren, obwohl sie finanziell nicht karg ausgestattet waren. Und sie sendeten ein Signal an alle Patienten: Wir sind nicht nur für die Reichen da.
    Eine Handvoll akademische Ärzte führte eine weitere Neuerung ein. Zum ersten Mal in der Geschichte ihrer Praxis behandelten sie mittellose Patienten gratis und zwar ausnahmslos Frauen und Mädchen. »Eine Gratis-Behandlung pro Tag« – so verkündeten Plakate an den Hausmauern. Das Resultat übertraf die heimlichen Hoffnungen der Ärzte: Die Armen waren gerührt! »Wir sind doch etwas wert.« – »Es hängt doch nichtalles am Geld.« – »Die Halsabschneider haben einen Blick in die Bibel geworfen.«
    Erstmals gab es die Möglichkeit, eine teure Praxis zu betreten. Wenn man Glück hatte und die richtige Zahl aus einem Topf zog, musste man nicht umkehren, sondern wurde ins Heiligste geführt: in den Raum, in dem der teure Doctor die Patienten empfing. Die Frauen, die dieses Glück gehabt hatten, wurden zu gesuchten Gesprächspartnern, mussten

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