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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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dieselben Fragen hundertmal beantworten und schmückten den Bericht immer weiter aus. Am Ende sah es so aus, als hätten sie in Polstersesseln gethront und der Doctor habe einen Diener gemacht. Dass die Heilung in Minutenfrist eingetreten war, verstand sich von allein.
    Und dann begannen die Razzien. Ein Heiler nach dem anderen bekam Besuch von einer städtischen Kommission. Drei Männer verlangten, die Instrumente zu sehen. Sie überprüften alles. Wenn die Heiler in eigenen Räumen praktizierten, wurden diese Räume unter die Lupe genommen und der Rest der Wohnung auch. Die Kommission schikanierte nicht und hinterließ keine falschen Beweise. Alles, was sie tat, geschah zum Wohle der Patienten. Für einige Heiler betonten die Kommissionäre dies zu oft. Empfindlichen Gemütern schlug es auf den Magen, zehn- bis zwölfmal hören zu müssen, dass das Wohl der Patienten ein wertvolles Gut sei. Die Heiler mussten alles vorzeigen, was sie in der Behandlung einsetzten: neben den Instrumenten auch Tücher und Verbände, Kräuter und Medikamente, Mittel zum Blutstoppen und gegen Entzündungen, Pflaster und Talismane.
    Alles wurde schriftlich festgehalten und fand sich kurz darauf in der Zeitung wieder. Erst nur eine Handvoll, bald wenige Dutzend Heiler fanden sich öffentlich bewertet. Bei wem die Kommission Schimmel in der Küche gefunden hatte, durfte das in der Zeitung lesen. Man riet nicht davon ab, diesen Heiler aufzusuchen. Man erwähnte nur den Schimmel, denn Schimmel war ein wichtiger Fund, der nicht unterschlagen werden durfte.
    So entstand ein Katalog der guten und der schlechten Heiler. Damit auch diejenigen Bürger in den Genuss der Informationen kamen, die die Zeitung normalerweise nicht lasen, wurden doppelt so viele Exemplare wie üblich in Umlauf gebracht. In Arztpraxen lagen weitere Zeitungen aus und auch in anderen Geschäften. Boten verteilten in der Stadt Exemplare. Bei der Gelegenheit suchten sie das Gespräch mit Bürgern, die nicht so aussahen, wie man sich einen Zeitungsleser vorstellte.
    Wie ein großer Krake kroch die Kunde von den guten und den schlechten Heilern durch die Gassen. Nirgendwo wurde gefordert, die Heiler zu verbieten. Man sortierte lediglich die schlechten und gefährlichen aus. Beobachter vor den Häusern und auf den Märkten meldeten ihre Erkenntnisse an Rathaus und Ärzte weiter: Der und der fand noch Patienten. Bei dem und dem herrschte gähnende Leere. Als die Kunde vom ersten Heiler herumging, der seine Habe auf einen Wagen geladen und die Stadt verlassen hatte, fühlte sich der Arzt Sattler wie ein Offizier nach gewonnener Schlacht.
    Die Zahl der Heiler nahm ab, nicht dramatisch, aber sie nahm ab, regelmäßig und stetig. Weil es keine wohlhabenden Heiler gab, traf jeden der Verlust seiner Patienten in kürzester Zeit ins Mark.
    Den Guten liefen Patienten die Tür ein, zwei von den Besten holte sich der Stadtphysicus Boff. Zähneknirschend sahen die Mediziner, dass neben dessen Haustür mittlerweile fünf Heiler ihre Dienste anboten. Die größte Provokation war der Verzicht auf hierarchische Formulierungen. Der Name Boff tauchte so neutral auf wie die Namen Sigmund Pups und Hermine Hoffknecht. Der Name und die Disziplin: Albrecht Boff – Medicus für Krankheiten der Frauen.

39
    Der Stadtphysicus ging auf dem Rathaus ein uns aus. Lächelnd, aufmerksam, leutselig sprach er bei allen Männern vor, die eine Nähe zu seinem Metier besaßen. Er beschwerte sich nicht, klagte nicht, verlangte nicht nach Einzelheiten. Er war präsent und strahlte Souveränität aus. Nichts an ihm wies darauf hin, dass er in Kürze seine Habseligkeiten auf einen Wagen laden würde. Damit konnte man leben, die akademischen Mediziner bemühten sich auch darum. Aber Boff war ein Stachel in ihrem Fleisch. Mit einem resignierenden Stadtphysicus hätte sich die Waage endgültig geneigt. Aber man durfte sich nicht von Ärger hinreißen lassen. Boff war ein harter Knochen, doch er konnte nichts stoppen, was in Bewegung geraten war.
    In diesen Tagen war es unmöglich, im Gasthaus unbehelligt eine Mahlzeit einzunehmen. Boff hatte den dritten Bissen noch nicht heruntergeschluckt, da stand der Erste am Tisch. Höfliche Störer entschuldigten sich weitschweifig und raubten ihm damit doppelt so viel Zeit. Die meisten kamen gleich zum Thema, das ihnen auf der Seele brannte. Was Boff denn davon hielte, dass auf einmal alle Heiler geprüft wurden? Warum er eine Handvoll Heiler in seinem Haus untergebracht habe und

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