Doctor Sleep (German Edition)
speziellen Zahn. Den haben sie alle.«
»Und dieser Junge war wirklich so wie du?«
»Ja.« Abras Stimme war gedämpft, aber verständlich. »Er konnte mit seiner Hand sehen.«
» Was willst du damit sagen?«
» Wenn bei einem Spiel bestimmte Bälle angeflogen kamen, konnte er sie treffen, weil seine Hand sie zuerst gesehen hat. Und wenn seine Mutter etwas verloren hatte, hat er die Hand über die Augen gelegt und hindurchgeschaut, um zu sehen, wo das verlorene Ding war. Glaube ich wenigstens. Das weiß ich nicht ganz sicher, aber manchmal benutze ich meine Hand auch so.«
»Und deshalb haben sie ihn umgebracht?«
»Mit Sicherheit«, sagte Dan.
»Um an eine Art übersinnliches Vitamin zu kommen? Wisst ihr eigentlich, wie lächerlich das klingt?«
Darauf gab niemand eine Antwort.
»Und diese Leute sollen wissen, dass Abra ihnen auf der Spur ist?«
»Ja, das wissen sie.« Abra hob den Kopf. Ihre Wangen waren gerötet und tränennass. »Meinen Namen kennen sie zwar nicht, und sie wissen auch nicht, wo ich wohne, aber sie wissen, dass es mich gibt.«
»Dann müssen wir zur Polizei gehen«, sagte Dave. »Oder vielleicht … ich glaube, mit so was befasst sich eher das FBI . Wahrscheinlich wird man uns da zuerst nicht glauben, aber wenn man die Leiche findet …«
»Ich werde Ihnen nicht sagen, dass das eine schlechte Idee ist, bis wir sehen, was Abra mit dem Baseballhandschuh anfangen kann«, sagte Dan. »Aber Sie müssen gut überlegen, welche Konsequenzen das haben könnte. Für mich, für John, für Sie und Ihre Frau und vor allem für Abra.«
»Ich weiß nicht recht, was für Probleme Sie und John bekommen …«
John rutschte ungeduldig auf dem Stuhl herum. »Ach, komm schon, David. Wer hat die Leiche gefunden? Wer hat sie ausgebuddelt und dann wieder verscharrt, nachdem er ein Beweismittel mitgenommen hat, das die Spurensicherung zweifellos für ausgesprochen wichtig halten würde? Wer hat dieses Beweismittel dann durch das halbe Land transportiert, damit eine Achtklässlerin es als Ouijabrett verwenden kann?«
Obwohl Dan es eigentlich nicht vorgehabt hatte, mischte er sich ein, um Dave Stone unter Druck zu setzen. Unter anderen Umständen hätte er sich vielleicht schlecht dabei gefühlt, momentan aber nicht. »Ihre Familie ist schon jetzt in einer Krise, Mr. Stone. Die Großmutter Ihrer Frau liegt im Sterben, Ihre Frau trauert um sie und ist erschöpft. Diese Sache würde in den Medien und im Internet wie eine Bombe einschlagen. Eine reisende Mörder-Sekte, die hinter einem angeblich medial veranlagten Mädchen her ist! Man wird Abra im Fernsehen vorführen wollen. Sie werden ablehnen, und das wird die Meute noch gieriger machen. Ihre Straße wird sich in ein Open-Air-Studio verwandeln, die Nachrichtenteams werden ins Nachbarhaus einziehen, und in ein oder zwei Wochen wird die ganze Medienbande aus voller Kehle Schwindel brüllen. Erinnern Sie sich noch an den Vater des sogenannten Ballonjungen? Mit dem wird man Sie vergleichen. Und in der ganzen Zeit werden diese Leute, die hinter Abra her sind, weiterhin unbehelligt ihr Unwesen treiben.«
»Und wer soll meine Tochter dann beschützen, wenn diese Irren tatsächlich hier auftauchen? Ihr zwei? Ein Arzt und ein Hospizpfleger? Oder sind Sie da bloß der Hausmeister?«
Gut, dass du noch nichts von dem dreiundsiebzigjährigen Stadtgärtner weißt, der auf deiner Straße Wache hält, dachte Dan und musste grinsen. »Ich bin ein wenig beides. Hören Sie, Mr. Stone …«
»Da Sie und meine Tochter offenbar so gut befreundet sind, sollten Sie mich wohl lieber Dave nennen.«
»Okay, also Dave. Was Sie als Nächstes tun werden, hängt wohl davon ab, ob Sie darauf spekulieren wollen, dass man Abra bei der Polizei Glauben schenkt. Obwohl sie dort erzählen wird, dass diese Leute Vampire sind, die anderen das Leben aussaugen.«
»Du lieber Himmel«, sagte Dave. »Lucy kann ich das alles gar nicht beichten, sonst brennt bei der noch eine Sicherung durch. Beziehungsweise alle Sicherungen.«
»Die Frage, ob die Polizei gerufen werden soll oder nicht, dürfte damit wohl erledigt sein«, bemerkte John.
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Irgendwo im Haus tickte eine Uhr. Irgendwo draußen bellte ein Hund.
»Das Erdbeben«, sagte Dave plötzlich. »Dieses kleine Erdbeben. Warst du das, Abby?«
»Da bin ich mir ziemlich sicher«, flüsterte sie.
Dave umarmte sie, dann stand er auf, wickelte den Baseballhandschuh aus und hielt ihn nachdenklich in der
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