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Dönerröschen

Titel: Dönerröschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaromir Konecny
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halbe Tüte Erdnüsse mit Schalen. Damit sie nicht dachte, ich würde das nur spielen – dass ich die Erdnussschalen so lecker fand.

    Jetzt hockten wir auf unseren Fahrrädern etwas abseits von den andern. »Vergessen!«, sagte Sibel ernst. »Vergessen ist wie Weggehen.«
    »Warum glaubst du mir nicht? Ich war echt krank! Fiese Bakterien haben jede Erinnerung an dich in meinem Hirn gelöscht. Das war nicht ich!«
    Sibel grinste wie eine Löwin, die ihre Beute wittert. »Hast du nicht zu viele Science-Fiction-Filme gesehen?«
    »Ich durfte nicht zu dir. Wer weiß … wie gesagt, vielleicht musste ich dich vergessen … um nicht verrückt zu werden …«
    »Ich habe dich nicht vergessen«, sagte sie. »Auch wenn ich nicht zu dir konnte.«
    »Frauen sind wohl stärker als Männer.«
    »Das stimmt!«, sagte Sibel. Ungesund selbstbewusst, oder?
    »Habe ich keine Chance mehr bei dir?«
    Sie guckte über meine Schulter zu den andern: »Wer weiß schon, was ich in der Zukunft fühle. Wenn du dort weitermachen willst, wo wir vor sechs Jahren aufgehört haben, musst du ein paar Prüfungen bestehen.«
    »Ach, du Scheiße!«
    »Du hast es erfasst«, sagte sie. »Wenn man sechs Jahre lang kein Auto fährt, kann man sich auch nicht gleich ans Steuer hocken, voll durchstarten und Unglück über die Leute bringen. Wir haben damals sehr viel Zeit bis zu unserer Schokoladenverlobung gebraucht. Durch dein Vergessen hast du unsere Beziehung wieder bis in den Kindergarten zurückgeworfen.«
    »Was soll ich machen, damit du mir glaubst?«
    »Nur Geduld! Das wirst du alles erfahren. Zuerst möchte ich aber deinen kleinen Bruder kennenlernen. Vielleicht ist er genauso wie du damals mit zehn. Ich will mich an alles erinnern, was du mir versprochen hast.« Oh, Mann! Wo trieb ich jetzt einen kleinen Bruder auf? Wir schwangen uns auf unsere Räder und fuhren los.
    Sibel preschte auf ihrem Männer-Rennrad bis nach vorne zu Danis und ihrem Baba. Bei diesen langen Beinen konnte sie sich ein Männer-Fahrrad leisten. Eine Sportlerin vor Gott! Sogar Lena fuhr ein Damen-Fahrrad.
    Schnauze wartete auf mich. Selma fuhr vorne. Wir bildeten die Nachhut. »Dieses ständige Versteckspiel geht mir auf den Sack«, sagte Schnauze.
    »Versteckspiel?«
    »Selma und ich. Für Baba und die anderen Türken bin ich Freund von Danis. Nur Danis und Bebisch wissen Bescheid.«
    »Echt?«, fragte ich. »Ich hab gedacht, die Eltern von Selma sehen das locker.«
    Schnauze wich einem Fußgänger aus. »So was sieht kein türkischer Vater locker.«
    Scheiße! Was stand mir da noch bevor? »Du hast nicht zufällig einen kleinen Bruder?«, fragte ich.
    »Wieso?«
    »Muss mir einen ausleihen.«
    »Wegen Sibel?«
    »Hmm!« Ich seufzte sehr, sehr tief. »Wir haben uns früher gekannt!«
    »Ich weiß. Danis hat’s mir erzählt. Aber wozu brauchst du einen kleinen Bruder?«
    Ich erzählte ihm meine Obletter -Geschichte. »Und jetzt will Sibel unbedingt meinen Bruder kennenlernen.«
    »Geht ihr zusammen, oder was?«
    »Nee, aber …«
    »Aber du möchtest schon, oder?«
    »Ja!«, sagte ich. Bis jetzt hätte ich auf eine solche Frage immer »Nein« gesagt. Bis jetzt. Doch Sibel wollte ich nicht mehr verleugnen. Das wäre nicht cool.
    Schnauze wich einem Stein aus. »Wir leihen uns halt einen Zehnjährigen aus!«
    Vor Schreck bin ich fast ins Gebüsch gefahren. »Nee, so was leiht uns keine Mutter aus.«
    »Bleib cremig, Alter! Wir müssen sie nicht fragen.«
    »Das ist dann eine Entführung, Mann«, sagte ich.
    »Nö!«, sagte Schnauze. »Wir geben ihn ja zurück. Das ist keine Entführung.«
    »Du bist echt bescheuert.«
    »Ich bin halt Hauptschüler«, sagte Schnauze.
    Wahrscheinlich ist der Rest von München viel schöner als Neuperlach, zum Beispiel der Schotterweg entlang der Isar: Natur pur, echt hübsch! Trotzdem hatte ich plötzlich das Gefühl, dass wir durch fremde Gebiete radelten. Natur gibt’s in Neuperlach ja auch. Ein paar Hundert Meter hinter unserem Haus keilt der Truderinger Wald die bebauten Viertel auf wie der Sherwood Forest das Herrschaftsland des Sheriffs von Nottingham. Im Truderinger Wald treibt sich aber nicht Robin Hood rum, sondern Gangsta-Rapper aus Neuperlacher Grundschulen. Jawohl! In Neuperlach haben wir nicht nur Natur, sondern auch Kultur. Mann! War ich jetzt in Neuperlach zu Hause? Schon nach einer Woche? Mehr als je in Oberhaching, wo ich sechzehn Jahre lang gelebt hatte? Ist die schwierigste Suche die nach deiner Vergangenheit?
    Wir radelten

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