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Dönerröschen

Titel: Dönerröschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaromir Konecny
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Ohnmacht fiel, war mir echt ein Rätsel. Er blieb vor unserem Vierersitz stehen. Sein Bauch hing ihm über den Gürtel runter und drohte, ihm die Hose auszuziehen. Scheißeee! Diesen Anblick mochte ich nie erleben. »Da bist du ja«, sagte er zu Schnauze und warf einen kurzen Blick auf Selma. »Treibst du dich wieder mit Kanaken rum?«
    Das verpasste mir echt einen Schock. In Oberhaching zogen ja auch einige ständig über Ausländer her, aber so krass?
    Schnauze stand auf und bombte ihm eine auf den Kiefer. Der Widerling fiel auf den benachbarten Vierersitz und guckte Schnauze verblüfft an. »Gute Nacht, Arschloch!«, sagte Schnauze. »Ich bin Jack Sparrow, der Herr der Meere!« Er drehte sich zu uns um. »Kommt! Wir gehen zu Fuß!«
    Der Bus hielt an. Schnauze nahm Selma an die Hand. Sie stiegen aus. Der Busfahrer hatte anscheinend nichts mitgekriegt, auch die drei Fahrgäste vorne nicht, und hinten saßen nur wir. Die Nacht nahm uns in ihren ruhigen Schoß. Schnauze drehte sich kein einziges Mal um. Ich schon. Der Dicke hockte immer noch auf dem Vierersitz und starrte uns nach. Es gab wohl auf der Welt noch andere Leute als mich, denen hin und wieder etwas die Sprache verschlug.
    »Du bist mein Ritter, mein Prinz«, sagte Selma draußen zu Schnauze und küsste ihn. »Mein König der Meere!«
    »War das dein Vater?«, fragte ich.
    »Klar!«, sagte Schnauze. »Keine Ahnung aber, ob man diesen Kerl noch als Vater bezeichnen kann.«
    »Und mit ihm fährst du jede Woche nach Franken?«
    »Nee!«, sagte Schnauze. »Meine Mama hat sich von ihm schon vor zwei Jahren getrennt. Mama kommt aus Franken, nicht er. Mein Alter wohnt allein, macht aber immer noch Stress, wenn er mich sieht.«
    »Mann! Dass du so viel Mut hast, deinem eigenen Vater eine reinzuhauen.«
    »Weiß nicht, ob Mut dazu gehört. Er hat mich jahrelang verprügelt, als ich mich nicht wehren konnte. Jetzt bekommt er halt was zurück, wenn er danach fragt.«
    »Du bist mein Held!«, sagte Selma zu Schnauze.
    »Meiner auch«, sagte ich zu ihm.
    »Bis morgen!«
    »Gute Nacht, Josch!«, sagte Selma. Hier unter den Straßenlampen am Krankenhaus Neuperlach schaute sie ganz hübsch aus. Auch mit ihrem gesprayten Haar. Selma stand die Nacht gut. Sibel der Tag! Auf eine Nacht mit ihr wagte ich nicht zu hoffen.

    Als ich heimkam, befahl Anne zum ersten Mal in der Geschichte unseres gemeinsamen Wohnens, in der Nacht alle Fenster offen zu lassen. Musste sowieso keine Angst vor Dieben haben. Meine Knoblauchfahne flatterte aus den Fenstern, hoch gehisst, und schreckte jeden Dieb weit und breit ab. Wegen Stress mit Dok hatte Anne mich und meine Knoblauchfahne zum Glück verdrängen müssen. Diesmal hat der Kühlschrank unseren Hausfrieden bedroht.
    Anne guckte gerade hinein: »Jetzt taue ich den Kühlschrank schon den halben Tag ab, aber die Hinterwand ist immer noch zugefroren. Siehst du diesen Eisblock am Gefrierfach? Der taut bestimmt heute Nacht auf und überschwemmt unsere ganze Küche.« Vor dem Umzug hatten wir vergessen, den Kühlschrank abzutauen, und mussten ihn mit dem in den letzten Jahren angebauten Eis transportieren.
    »Kein Problem!«, sagte Dok. »Den kann ich gleich weghämmern!«
    »Den Eisblock?«, fragte ich. »Oder den Kühlschrank?«
    Anne schüttelte resolut den Kopf: »Besser nicht! Du könntest den Kühlschrank beschädigen. Wir haben kein Geld, um einen neuen zu kaufen.«
    Dok versuchte sie zu beruhigen: »Ganz sanft mache ich das! Keinen kleinen Kratzer! Versprochen!« Er nahm Hammer und Meißel in die Hand. Und BUMM ! Na, ein kleiner Kratzer war’s echt nicht: Dok hatte den Eisblock mit der halben Kühlschrankinnenwand rausgehauen. Anne fiel in Ohnmacht. Dok zerhämmerte den Eisblock auf dem Laminatboden und massierte Annes Schläfen und Stirn mit einem Tuch voller Eisblocksplitter. Sie wachte auf und starrte auf die Löcher im Boden. »Was ist das?«, fragte sie nach einer Weile.
    Dok räusperte sich. »Papa musste schnell den Eisblock kaputt schlagen«, sagte ich. »Wir haben Eis gebraucht, um dich wiederzubeleben.« Anne fiel wieder in Ohnmacht. Zum Glück hatten wir jetzt genug Eis. »Alles Schlechte ist zu etwas gut!«, sagte ich.
    Dok schaute mich an: »Du wirst langsam so weise wie ich!«
    Anne machte die Augen auf: »Arschlöcher!«, sagte sie. Das hatte ich von ihr noch nie gehört. Neuperlach hatte auf Anne einen recht guten Einfluss. Wir trugen sie ins Bett. Sie war so fertig, dass sie nicht mal mehr wegen meiner Knoblauchfahne

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