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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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riesigen ersten Stock blicken. Wie üblich lagen überall kaputte Plastiktüten verstreut, und hier und da standen schmuddelige Möbel. Dieses Gebäude wurde von Kindern und ihren Hunden bewohnt. Die Hunde, die dort lebten, waren nicht in Rudeln organisiert und keine Kämpfer. Die meisten von ihnen waren Welpen. Die Kinder waren wirklich gut zu ihnen, genau wie zu ihren eigenen Kameraden, doch wenn sie einen Außenstehenden erwischten, wurden sie äußerst aggressiv. Sie waren so zahlreich, dass sie alle Eindringlinge abwehren und jeden, der ihnen nicht gefiel, einfach umbringen konnten, besonders betrunkene Erwachsene oder allein umherstreunende Mitglieder rivalisierender Banden. Doch er wusste, dass er von den Kindern diesmal nichts zu befürchten hatte – schließlich waren fünf uniformierte Polizisten hinter ihm her. Wenn die Kinder wach waren, hatten sie sich bestimmt schon zurückgezogen.
    Obwohl das Blech klapprig und alt aussah, bewegte es sich keinen Zentimeter, und als er daran herumrüttelte, schnitt er sich an der Hand. Es gab auch keine Möglichkeit, sich hindurchzuzwängen. Er blickte zurück. Die fünf Männer waren riesig. Sie befanden sich schon auf dem Hof und gingen jetzt langsamer, zögerlicher. Ja, er konnte es genau sehen: Sie glaubten, ihn in der Falle zu haben, und waren so schlau, nicht zu nah heranzukommen, damit ihnen genug Reaktionszeit blieb. Er huschte von der Laderampe, hielt sich dicht an der Wand und suchte nach einer Öffnung. Wenn er ins Gebäude gelangte, konnte er sie bestimmt im flimmernden Staub und den Lichtstrahlen, die sich in der Dunkelheit kreuzten, abschütteln: Dieses Licht war so verwirrend, dass man noch weniger sah als in völliger Dunkelheit. Doch indem er sie von Mamotschka weglockte, entfernte er sich immer mehr von dem Teil des Gebäudes, in dem er sich auskannte. Panische Angst überfiel ihn. Sein Puls raste. Hoffentlich ist hinter dieser Ecke eine Öffnung! Doch er hatte vergessen, dass das benachbarte Lagerhaus direkt an dieses Gebäude angrenzte. Für einen Hund war der Spalt dazwischen zu schmal. Die Männer schwärmten aus, ihre Stiefel stapften über den unkrautbewachsenen Beton, so leise, wie es bei dieser schwerfälligen Jagd möglich war. Als er um die Ecke bog, sah er einen Schutthaufen, aber keinen Pfad vor sich. Nur einen unglaublich schmalen Spalt im rostigen Blech und den bröckeligen Ziegelsteinen. Durch ihn schimmerte ein Splitter Freiheit: der Sonnenuntergang, der durch den langen Spalt orangefarben von den fernen Wohnblocks herüberstrahlte. Doch es war unmöglich, sich dort hindurchzuzwängen und die grasbewachsenen Pfade zu erreichen. Wimmernd drehte er sich zu den Männern um, kauerte sich nieder, fuchtelte wild mit den Armen und atmete schwer. Er musste sie nah heranlocken und darauf vertrauen, dass er schneller und geschmeidiger war. Wenn er aus diesem schrecklichen Hof herauskam und sich zu der von hohem Unkraut überwucherten Freifläche durchschlagen konnte, war er gerettet.
    »Ruhig, ganz ruhig, kleiner Mann«, sagte der größte Polizist. »Wir tun dir nichts.«
    »Mensch, Wasja, das ist doch bloß ein bomsch -Kind.«
    »Nee – das ist der Hundejunge. Hast du nicht die Hunde bei ihm gesehen, als er durch die Unterführung ging? Hast du nicht gesehen, wie seltsam er läuft? Geh einfach langsam und vorsichtig auf ihn zu, Mischa, und schnapp ihn dir, ohne ihm wehzutun.« Wasja blickte Mischa an, schnippte mit dem Finger gegen die Handschellen an seinem Gürtel und senkte bedeutungsvoll den Blick. Mischa zuckte mit den Schultern und nickte.
    Romotschka sah, wie sich hinten an dem mit Sackleinen bespannten Zaun etwas regte, und dann tauchte an der etwas näher gelegenen Ecke, direkt hinter dem Anführer, Mamotschkas Schnauze auf. Wasja war für einen Hausbewohner äußerst wachsam und bemerkte, dass Romotschkas Blick kurz zur Seite glitt. Er drehte sich um, um nachzuschauen, sah aber nichts und wandte sich wieder um.
    »Lass die Keule fallen, kleiner Mann. Bleib ganz ruhig. Wir haben dich – das weißt du doch. Bleib einfach ruhig. Wenn wir im Bus sind, schenk ich dir einen Lutscher. Ich kauf dir was bei McDonald‘s. Du hast bestimmt Hunger, was?« Wasja redete weiter freundlich auf ihn ein.
    Romotschka ließ die Männer und Wasja, den Anführer, nicht aus den Augen. Die Hunde waren da und hatten den Vorteil der Überraschung. Er durfte sie nicht durch seine Blicke verraten. Ihm brach der Schweiß aus, und er zitterte am ganzen Körper.

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