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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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Er duckte sich, tat so, als wäre er kampfbereit, und wartete auf den Moment, in dem er Mamotschka das Zeichen geben und dann laufen, nichts als laufen musste.
    Als Wasja die Männer vorrücken ließ, jaulte Romotschka vor Angst scharf und laut auf, und sechs der acht Hunde brachen aus ihren Verstecken hervor und kamen auf dem Asphalt in lautlosem Angriff auf die Männer zugerannt. Romotschka klapperte vor Anspannung mit den Zähnen. Im letzten Augenblick, als die Krallen schon über Glasscherben und Beton schrammten und scharrten, spürte Wasja die drohende Gefahr und wirbelte herum. Doch die sechs Hunde waren schon bei ihnen. Ihr Knurren erwachte und schwoll an, und die Männer, die vor Angst schrien und brüllten, schützten ihre Gesichter mit den Armen und fingerten an den Gürteln nach ihren Pistolen und Schlagstöcken. Romotschka konnte gerade noch sehen, wie Mamotschka mit gefletschten Zähnen auf Wasjas Rückensprang und zubiss, wie Wasja stürzte und mit den Händen in der Luft fuchtelte, um sie abzuwehren. Jetzt! Romotschka wich dem Kampfgetümmel aus und rannte so schnell, wie seine zitternden Beine ihn trugen. Als er sich unter dem kaputten Zaun hindurchschlängelte, schürfte der Draht ihm die Schenkel auf. Kleine Gefleckte und Kleine Goldene warteten auf der anderen Seite des Sackleinens auf ihn, und gemeinsam stürmten sie über die Freifläche zum Höhleneingang.
    Kämpft nicht zu lange mit ihnen, verbeißt euch nicht! , murmelte Romotschka flehend in die Dunkelheit, während er mit verschränkten Armen im Nest saß und die beiden verängstigten jungen Hunde vor ihm auf und ab liefen.
    Die anderen kamen bald nach. Sie hatten eher Lärm und Krawall gemacht, als wirklich zu kämpfen – Mamotschka wusste nur zu gut, dass sie sich, sobald Romotschka frei war, so schnell wie möglich zurückziehen mussten. Und Romotschka wusste, dass sie sich für die erfolgreiche Flucht gegenseitig überschwänglich loben mussten.
    Als Romotschka feststellte, dass ihn die milizia mit Hunden aufzuspüren versuchte, wusste er ebenfalls, dass er seinen Geruch vom Boden fernhalten musste. Deshalb kletterte er so oft wie möglich auf Simse und rutschige Blechfensterbretter und durchquerte ganze Straßen und Gassen, indem er von der Motorhaube eines Autos zur nächsten sprang. Nie ließ er seine Fährte über den letzten Treffpunkt hinausführen. Schwarzer Rüde wankte zwar unter seinem Gewicht, fand sich aber mit der seltsamen neuen Gewohnheit ab. Die ausgebildeten Spürhunde wussten, was Romotschka getan hatte, konnten es den Menschen aber nicht mitteilen, denn man forderte sie beharrlich auf, ihn, und nicht den Hund, auf dem er ritt, zu verfolgen.
    Irgendwann beschloss Romotschka, die Straßen für eine Weile von seinem Geruch zu säubern und bei Mamotschka in der Höhle zu bleiben. So kurz vor einem Wurf war er noch nie mit ihr zusammen gewesen, und er fand es ruhig und angenehm, bei ihr zu liegen, ihren großen Bauch zu streicheln und zu spüren, wie die Milch einschoss.
     
    ~
     
    Dimitri war erschüttert, als bekannt wurde, dass die milizia Romotschka – es musste Romotschka gewesen sein – schon vor über einem Jahr gefangen hatte. Doch er sprach ruhig, ja sogar forsch mit dem Major, während seine Gedanken sich überschlugen. Er sagte, es sei eine Win-win-Situation: Wenn man die Hunde verfolgte, würde man den Jungen finden und konnte ihn hoffentlich fangen, ohne ihn zu sehr zu ängstigen. Gleichzeitig könnte man sich für wissenschaftliche Zwecke eine Vorstellung vom Leben und Territorium des Rudels machen. Jeder hatte schon einmal wild lebende Hunde gesehen, ja – sogar in der Nähe des Kremls. Im Neskutschni Sad gab es ein wohlbekanntes, ziemlich lästiges Rudel, das gern Radfahrer jagte. Doch das war ein Phänomen, das nie untersucht worden war, und die bloße Tatsache, dass zu dem besagten Rudel zwei Kinder gehört hatten, machte das Ganze erst recht bemerkenswert. Dimitri war froh, dass Natalja nicht bei ihm war.
    Es beunruhigte ihn, dass Romotschka verschwunden war. Der Junge war schon eine Woche lang nirgends mehr gesehen worden. Romotschkas Hunde waren auch ohne ihn als Rudel zu erkennen. Man hatte sie zweimal gesehen. Er starrte die großen Fotos an, die ihm Major Tschernjak in die Hand gedrückt hatte, Fotos, auf denen die Hunde mitRomotschka herumliefen, eine unscharfe Bildfolge, aufgenommen an einem Regentag. Ein Bild erregte seine Aufmerksamkeit. Die Hunde liefen in einer lockeren Formation: ein

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