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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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Gras sauber. Die Verkrampfung im Magen hatte sich gelöst; er war ruhig und gelassen, schwebte auf einer Wolke des Friedens. Welpe war tot, aber nicht wie der Alte. Er hatte bloß dagelegen, zusammengerollt um einen kranken Bauch, kranken Atem, hatte sich irgendwann nicht mehr gerührt. Dann war er kalt geworden. Und nach einer Weile entweder hart gefroren oder stinkend und ungenießbar gewesen. Onkel hätte Welpe nicht im Stich lassen sollen.
    Nein … Ihm war leicht schwindlig. Welpe war gar nicht Onkels Welpe. Er drehte sich um und kehrte in die Sackgasse zurück; er betrachtete Weiße Schwester. Sie hatte ein rotes Maul. Er kniete sich hin und leckte ihr Gesicht sauber, schmeckte Blut, das seinem eigenen glich. Oder dem von Welpe. Dann wandte er sich zum Gehen. Weiße Schwesterzögerte und folgte ihm schließlich. Grauer Bruder kam hinterher.
    Diese Jagd begriffen sie ganz und gar nicht.
     
    ~
     
    Dimitri wartete anderthalb Wochen, dann verständigte er die Behörden und setzte die Suche nach dem Hundejungen in Gang. Ohne mit Natalja zu reden, ohne bei seinem Anruf auch nur an Natalja zu denken. Er saß an seinem Schreibtisch, sein dritter Kaffee im Becher allmählich kalt, als sich plötzlich der unangenehme Strudel von Gefühlen, die ihn seit Markos Tod geplagt hatten, wuchtig an seinem Gesäß zusammendrängte und wie eine Hand durch seinen Bauch nach seiner Kehle griff. Er schluckte, dachte nicht nach, sondern streckte bloß die Hand nach dem Telefon aus und wählte die Nummer.
    Als er Nataljas zornig funkelnden Blick und ihre grimmig gekräuselten Lippen sah, war er bestürzt. Erst jetzt fiel ihm ein, dass auch Natalja Anteil an dieser Geschichte hatte, dass er sich mit ihr hätte beraten müssen.
    »Hast du denn nicht darüber nachgedacht , was du gerade getan hast?«, brüllte sie.
    »Natalja! Natürlich habe ich hin und her überlegt! Was sollte ich denn sonst tun? Er kann doch nicht so weiterleben, allein bei einem Rudel Hunde!«
    Wie sollte er Natalja erklären, dass er nicht hatte nachdenken müssen? Ihm war bewusst, dass er eine Kehrtwendung gemacht hatte und einen Zustand als unerträglich darstellte, den sie beide monatelang ohne weiteres hingenommen hatten. Jetzt offenbarte sich sein Glaube, dass Romotschka etwas Besonderes war; er hatte gegen ihre stillschweigende Übereinkunft verstoßen, dass der Junge ein gewöhnliches Straßenkind war.
    Sie war vor Wut kreidebleich geworden. Ihre Fanfarenstimme dröhnte leidenschaftlich, ja sie bebte vor Zorn. »Dimitri! Wie konntest du bloß! Bei all den affigen, feigen Weltverbesserern … Ich kenne diesen Jungen, Dimitri. Du nicht . Was wird er jetzt von uns halten? Wie sieht seine Zukunft aus? Wie soll ich ihm jemals helfen ?«
    »Ihm helfen? H-Helfen …« Dimitri verschluckte sich an seiner Empörung. »Natalja, wann hast du jemals etwas getan, bei dem es nicht um dich selbst ging? Immer prinzipientreu, damit du nicht die schmerzliche Erfahrung machen musst, wirklich … zu begreifen! Du glaubst, von mir, von Romotschka, von wem auch immer nichts lernen zu … Du kannst nie irgendwas zugeben … u-und du bist immer noch … zeigst mir zu Hause nicht mal dein Schlafzimmer, du könntest nicht … Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass manche Leute nicht so denken, sehen, empfinden wie … Könntest du … Ist … K-kannst …« Er strich durch sein schütteres Haar. »Glaubst du wirklich, dass du mir irgendwie hilfst und mich nicht behinderst … deine besserwisserische … Du arrogantes kleines Ding! Du … du, du … dumme Gans !«
    Natalja war still, die Augen riesig und dunkel in ihrem bleichen Gesicht, ihr Haar elektrisch aufgeladen, ein herrliches Abbild von Romotschkas Mähne.
    Am liebsten hätte er sich die Worte, das letzte Wort geangelt und mit der Schnur wieder eingezogen; doch es war zu spät. Er stand einfach nur da und konnte sich nicht rühren. Das Schweigen zwischen ihnen wurde immer länger. Er schloss die Augen, war zutiefst entsetzt über das, was er getan hatte und was es ihn kosten würde. Wie war es nurdazu gekommen? Die ganze Zeit … wie sehr hatte er sich bemüht, mit ihr zu reden, hatte es aber nie fertiggebracht; und dann gab er so einen Unsinn von sich, Sachen, die er nicht einmal gedacht hatte! Unter dem Einfluss zunehmender Stressfaktoren verändert sich das normale Ich des Probanden …
    Ein Leben in Einsamkeit erstreckte sich vor ihm, öde und verworren, das bedeutungslos zwischen Erfolg und Elend hin und her

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