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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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glitschige, sich windende Blase mit ihr zusammen und half ihr, die Haut zu zerreißen und den blinden, maunzenden Welpen zu befreien. Half ihr, sie der Reihe nach zu säubern. Mamotschkas weise Augen leuchteten im Dunkeln, und Romotschka zeigte den vier gesäuberten Neugeborenen den Weg zu ihrer ersten Milch. Er saß in der Hocke und starrte die erschöpfte Mutter mit ihren neuen Welpen an. Große Ruhe erfüllt ihn. Der mit Mamotschkas einzigartigem Geruch und den klebrig-süßen Tropfen der ersten Milch vermischte Duft des rohen Fleisches war angenehmer und anders als der Duft von Nahrung. Jetzt hing alles von ihm ab, und er konnte alles sein oder tun, was notwendig war. Er streichelte Mamotschkas eingesunkene Flanke, seine Wangen voller Tränen, die genauso geheimnisvoll waren wie die glänzenden, sich windenden Lebensblasen, die sie aus ihrem Körper gestoßen hatte.
    Bei den früheren Würfen hatte er Mamotschka immer als anstrengend empfunden und die Kleinen nach ihrer Geburt wochenlang verachtet und nur mit Mühe ertragen. Doch diesmal faszinierte Mamotschka ihn, und er beobachtete aufmerksam jede Veränderungen an den Welpen.Dabei kam er sich richtig erwachsen vor und hatte sogar, wie schon einmal, das Gefühl, dass diese Geschöpfe ihm gehörten, die Ausgewachsenen und die Neugeborenen, seine Mutter, seine Geschwister und all ihre Kinder; doch diesmal war es anders, denn er hatte auch das Gefühl, dass er ebenso ihnen gehörte. Alles an ihm, bis zum allerletzten Körnchen seiner Kraft und Intelligenz; und sie hatten das Recht, Nahrung und Sicherheit für jeden ihrer Atemzüge von ihm zu verlangen.
    Anderthalb Wochen lang blieb Romotschka in der Nähe der Höhle und stahl die Nahrung für Mamotschka aus dem Heer von Müllcontainern, die sich inzwischen in der Gegend ausgebreitet hatten. Er beobachtete, wie sie die Welpen immer häufiger allein schlafen ließ und wie stolz sie war, wenn die anderen an ihnen schnupperten und sie leckten. Nach und nach bezogen sie auch die Welpen in ihre Begrüßungsrituale mit ein. Romotschka war dabei, als der größte von ihnen zum ersten Mal die trüben Augen aufschlug.
     
    ~
     
    Der Vollmond steht hoch über der kalten Stadt. Hundegeheul, Sirenen, an- und abschwellende Motorengeräusche, Autohupen, quietschende Reifen, Fehlzündungen, Schüsse. Das Mondlicht wäscht alles, es verbirgt und enthüllt gleichermaßen. Die Stadt ist in breite Streifen aus kaltem Licht und tiefem samtenem Schatten gekleidet. Die Luft verheißt Frost und macht Fingerspitzen und Nasen taub. Die Lücken zwischen den Gebäuden formen grelle Lichtbalken. Die Lücken zwischen den Bäumen wirken verlockend. Die Menschen streifen so lange umher, wie sie die Kälte ertragen, ihre Gedanken offen für die Frage: Was wäre, wenn … ? Hunde springen in großen Sätzen durch die Winterlandschaft; ihre Augen funkeln. Kein Lebewesen schläft. In so einer Nacht ist für Mensch und Tier alles möglich.
    Romotschka lässt die Beine vom Rand der Kuppel über der Höhle baumeln. In seinen vier Jahren als Hund hat er nicht viele solcher Nächte erlebt. Er atmet die kalte Luft der prachtvollen Stadt ein. Und seufzt. Laurentia, Pewiza, Natalja, sie fehlen ihm. Ihm fehlt menschliche Gesellschaft. Er kläfft nach den Hunden, lässt Mamotschka keine Ruhe, bis sie die satten, schlafenden Welpen verlässt. Und so machen sich alle auf den Weg in die Stadt.
     
    ~
     
    Laurentia wirkte blass und unglücklich. Schweigend reichte sie Romotschka die Näpfe. Er stellte sie in der Gasse vor Mamotschka auf den Boden und winkte dann alle aus dem Schatten herüber. Laurentia gab ihm seine Fleischbällchen mit Spaghetti, zog sich in den Schatten der Tür zurück und wandte das Gesicht ab. Sie sang kein Lied. Irgendetwas stimmte nicht. Er begann zu fressen, doch eine böse Vorahnung schwoll in seiner Brust, in seinem Bauch. Er bekam eine Gänsehaut. Als er aufblickte, rannen Tränen über Laurentias Wangen. Seine Nackenhaare stellten sich auf.
    »Es tut mir leid, bello . So unendlich leid. Die milizia … die macht mir einen Riesenärger.«
    Obwohl ihm noch Spaghetti aus dem halbvollen Mund hingen, hörte er auf zu kauen und starrte Laurentia an. Sein Puls wurde schneller. Laurentia schluchzte abgerissen und atemlos. Hinter ihm ertönte ein seltsames dumpfes Geräusch, und er drehte sich um.
    Mamotschka war umgekippt.
    Sein Napf fiel zu Boden und zersprang.
     
    Er kniet an Mamotschkas Seite. Alles ist still, bis auf das Pochen seines

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