Dog Boy
Herzens. Mamotschka zittert und heult mit zusammengebissenen Zähnen, seine Arme sind um ihren Hals geschlungen, sein Mund ist offen, doch er kann sich nicht hören. Ihr schwaches Winseln kommt von weit her, vom Himmel herab. Er drückt sie an seine Brust und blickt die anderen unwillig an.
Die Welt um ihn herum wird langsamer – ein Herz-schlag, dann der nächste und der nächste, sie messen die Zeit. Die Herzschläge wiegen ihn, langsam, immer langsamer, Goldene Hündin taumelt, will fortlaufen, fällt. Schwarzer Rüde ist schon fast bei ihm und Mamotschka, stürzt, flehend, langsam, immer langsamer, sein verwirrter Blick starr auf Romotschkas Gesicht gerichtet. Weiße Schwester krümmt sich, strauchelt … Grauer Bruder, Kleine Goldene, Kleine Gefleckte, alle … brechen zusammen … langsam, immer langsamer. Schwarze Schwester, ihr Blick durchdringend, taumelt vorwärts, fällt, gegen seinen Schenkel. Die Welt ist von einem Wispern erfüllt. Ihre Stimmen verlassen ihn seufzend, mit stillem Jaulen … Langsam … immer langsamer. Ihr Fell, schwarz, grau, golden, weiß, glänzt im Mondschein und im Licht der Straßenlaternen. Ihre Schönheit ist nicht zu ertragen. Ihre Augen funkeln. Sie blinzeln ihn mit fragenden Blicken an.
Er verliert sie alle.
Romotschkas Herz brennt in seiner Brust und seiner Kehle; er weint, ohne es zu merken. Langsam … immer langsamer … Langsam … immer langsamer …
… Stille.
Mamotschka liegt tot in seinen Armen. In einem letzten langsamen Schwall entströmt ihrem Körper ein beängstigender Geruch.
Wie in einem Alptraum kommen Polizisten aus den Winkeln seines Kopfes hervorgestürzt. Er schließt die Augen und beginnt, Mamotschkas totes Gesicht zu lecken.
»Los, haltet ihn zurück! Er könnte was davon in den Mund kriegen!«
Er wird von vielen Händen zurückgerissen. Er wartet, forscht nach seiner aufsteigenden Wut, nach seiner Kraft. Einen Augenblick hängt er schlaff da, wie ein sanftmütiges Menschenkind, wie Welpe, doch dann explodiert er wie eine Katze mit der ganzen Kampfkraft, die in ihm steckt.
~
»Er heißt Romotschka«, brüllte Dimitri, drängte sich zwischen den Polizisten hindurch und suchte verzweifelt nach Major Tschernjak. Natalja war direkt hinter ihm, und er griff nach ihrer Hand.
Als Dimitri die Aufmerksamkeit der Männer auf sich gezogen hatte, senkte er die Stimme.
»Er kann sprechen; bitte hören Sie auf, ihn anzublaffen. Der berühmte Hundejunge Marko, den ich im Makarenko-Kinderzentrum betreut habe, er war sein Bruder.« Was Marko betraf, hatte er nirgends mehr besonders viel Einfluss, deshalb war das Ganze ein Risiko. Außerdem war die milizia ohnehin ein Problem: Er wusste, dass die Polizisten nicht gut auf das Zentrum zu sprechen waren und größtenteils die Ansicht vertraten, Straßenkinder seien nichts weiter als die Vorstufe zu Mördern und Drogenbossen. Doch er musste unbedingt verhindern, dass Romotschka in einHeim kam. Und er musste sein Versprechen sich und Natalja gegenüber einlösen.
Der junge Beamte, der Romotschka angebrüllt hatte, wirkte verlegen. Dimitri drückte Nataljas Hand und bemühte sich, den Lärm zu übertönen, den Romotschka hinten im Bus machte. »Ich bin Dr. Dimitri Pawlowitsch Pastuschenko. Ich soll den Jungen in Pflege nehmen. Er kennt mich.«
Die Polizisten wirkten erschöpft. Inzwischen war es zwar üblich, Streuner einzuschläfern, besonders seit dem Tollwutfall in Sokolniki, doch vielen Polizisten war noch ziemlich unwohl bei dem Gedanken, Hunde zu töten. Und dass die italienische Köchin im Angesicht der Leichen so geschluchzt hatte, beschämte sie. Dennoch durfte man nicht zulassen, dass wild lebende Hunde das Viertel terrorisierten und obdachlose Kinder sich in Hunde verwandelten. Doch jetzt, wo der Hundejunge das Innere des vergitterten Busses verwüstete, wussten sie nicht mehr, was sie tun sollten.
»Er führt sich auf wie ein wildes Tier«, sagte ein Beamter, der sich den blutenden Arm hielt, mit unsicherer Stimme.
»Er kennt mich«, beharrte Dimitri, obwohl der Lärm, der inzwischen aus dem Bus drang, sein Selbstvertrauen erschütterte. Schließlich entdeckte er Major Tschernjak, der erleichtert schien, ihn zu sehen. »Sie können ihn erst einmal in den Sicherheitstrakt des Zentrums bringen, aber wenn er sich beruhigt hat und die ärztlichen Untersuchungen hinter ihm liegen, kann er bestimmt zu mir nach Hause gebracht werden.« Dimitri beugte sich vor und raunte: »Sie sollten Ihre Leute
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