Dog Boy
ein Missklang ein. Erst hatte Romotschka das Gefühl, als wären sie alle, wenn auch jeder auf seine Art, noch immer ähnlich verspielt. Doch schon in der nächsten Woche wollte eine von ihnen bei den Spielen nicht mehr mitmachen. Schwarze Schwester tollte nicht länger als der bissigste, scharfzähnigste, scharfsinnigste Welpe herum, sondern war plötzlich richtig grimmig und gefährlich. Sie verdarb ihnen den Spaß, den sie bis dahin gehabt hatten, und darüber ärgerte sich Romotschka. Als die mildere Luft durch den Schnee hereinsickerte, verwandelte sich die Höhle in einen Schauplatz unerwarteter Wutausbrüche und unverständlicher Kämpfe.
Kaum waren die großen Hunde fort, gab es niemanden mehr, der ihre Rangeleien unterband oder Frieden stiftete. Im Spiel gingen sie auf Schwarze Schwester los, doch die biss bei Romotschka mehrmals fest zu, zwang Weiße Schwester, sich zu unterwerfen, schnappte nach ihr undknurrte, bis die zierlichere Hündin, Bauch und Kehle entblößt, auf dem Boden lag. Ihre Brüder ignorierte oder maßregelte sie und legte sich allein ins Nest. Zugleich erregte Grauer Bruder immer öfter den Zorn der ausgewachsenen Hunde, indem er mehrmals versuchte, ihnen nach draußen hinterherzuschleichen oder sich unbemerkt wegzustehlen, während die anderen spielten. Wenn Romotschka ein Labyrinth für ihn aufbaute, zerstörte er es absichtlich oder kletterte einfach darüber hinweg. Manchmal erklomm er die Statue, bellte, um Romotschka und die anderen aufzufordern, ihn zu fangen, und weigerte sich, die Rolle des Gejagten wieder abzugeben. Dann spielte Romotschka mit Grauer Bruder, bis sie sich entzweiten, weil Grauer Bruder in ihm nur den Jäger sehen wollte und ihn aus sicherer Entfernung aufstachelte. Romotschka, der ihn nicht erwischen konnte, war so verärgert, dass er dann auch keine Lust hatte, ihn gemeinsam mit den anderen zu jagen.
Noch durften sie die Höhle nicht verlassen. Die Luft wurde mit jedem Tag etwas würziger und wärmer, doch zugleich wurde es stickig und feucht. Alles war klamm. Romotschkas Kleidung scheuerte entsetzlich an seiner Haut, gefror jedoch beinahe, wenn er sie auszog. Die wunden Stellen an seinen Rippen und Schenkeln wurden täglich größer und schmerzhafter. Auf dem Kellerfußboden bildeten sich Pfützen, und bald war das Nest der einzige Teil der Höhle, der nicht mit Eisplatten oder durchweichtem Schnee bedeckt war. Nachts hörte Romotschka bloß das Plitschplatsch der Tropfen und den Aufprall herabfallender Eisbrocken. Dann, eines Tages, drang die Frühlingssonne herein und lockte alle ins Freie.
Romotschka kroch durch das Loch und robbte der Sonne entgegen. Er schaute hinauf in das tiefe Blau des Himmels.In der mit Schneematsch bedeckten Gasse fuhr mit heulendem Motor ein Auto vorbei, und das Geräusch dröhnte ihm in den Ohren. Der Himmel schien aus Regenwolken zusammengestückelt zu sein. Die Welpen folgten ihm hinaus in die Ruine. Sie waren so groß und schlaksig! Alle Spannungen waren vergessen, als die fünf durch die Schneewehen rannten. Der graue Schnee, der draußen noch überall den Boden bedeckte, war zusammengesackt, da er allmählich unterhöhlt wurde.
Dann begann es zu regnen, und im Sonnenschein bildete sich ein weißer Vorhang. Romotschka stellte sich auf die Hinterbeine und tanzte mit offenem Mund. Das Rauschen des Wassers, das auf den Schnee fiel, kam ihm vor wie eine Erinnerung aus seinen Träumen.
Innerhalb eines Monats schmolzen die Schneeberge, schrumpften, bis sie verschwunden waren und nur der schwarze Matsch und Schlamm des Frühlings zurückblieben. Das dumpfe Grau und dunkle Rauchblau des Winters waren verschwunden. Das abgestorbene Unkraut hatte die Erde schwarzgrau gesprenkelt, und das schneeverbrannte Gras wirkte leblos, doch die Zweige der Bäume waren bis zu den Spitzen mit einem grünen Schleier überzogen. Sogar bei den Bäumen im Hof sprossen an ein paar einzelnen Zweigen klebrige rötliche Blüten. In den großen Pfützen spiegelte sich das Grün, als wäre es vorzeitig herabgefallen, und sie wirkten wie grün und blau blinzelnde Augen im rissigen Asphalt. Romotschka stellte sich in die leere Gasse vor ihrer Höhle und streckte die Hände in den weißen Frühlingshimmel, die Finger nach oben gerichtet wie die ersten aus den Knospen sprießenden Blätter. So wie er zuvor im Regen durch den grauen Schnee getanzt war, tanzteer jetzt im Schlamm. Die vier jungen Hunde hinterließen breite, schlammige Fährten, während sie
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