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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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Höhle entlud sich ein Knurren, Schreien, Jaulen und Keilen. Er hörte Mamotschkas schnaubendes Knurren, hörte, wie sie kurz losließ, um noch heftiger zuzubeißen.
    Er hörte, wie etwas das Eisloch heruntergeschlittert kam und sich von neuem ein Keilen und Knurren entlud. Die beiden Kämpfe teilten sich und schwappten in der Dunkelheit zu den beiden entgegengesetzten Seiten der Höhle. Romotschka wandte sich ungeschützt dem eisigen Loch zu. Er glaubte einen weiteren Fremdling zu spüren, dann noch einen und noch einen, aber … nein, das waren bloß Trugbilder. Inzwischen plapperte er vor sich hin und tastete zu seiner Linken verzweifelt nach einer anderen Waffe. Als seine Finger die Keule fanden, beruhigte er sich ein bisschen, und dann stellte er fest, dass Weiße Schwester noch immer direkt neben ihm in Aktion war. Sie spannte die Muskeln an und packte dann wieder zu. Er hörte das zarte, unverkennbare Geräusch des Erstickens, und dann das leise Scharren des aufgeschlitzten Tieres.
    Jedes weitere Rasseln, Scharren und kehlige Knurren beim Zubeißen wurde von der Höhle verschluckt. Romotschka roch überall Blut und Tod, horchte angestrengt, um nach ihren Stimmen zu suchen, da seine Sinne völlig verrücktspielten, und hörte die tödlichen Bisse von Goldene Hündin und Mamotschka. Schwarzer Rüde streifte knurrend in dem vom eisigen Loch hereinziehenden Luftstrom umher. Weiße Schwester stand jetzt ruhig atmend direkt neben ihm, ihre Zähne noch immer in das Fleisch des Fremdlings gegraben. Dann ein Knacken, das von Schwarze Schwester kam, die vielleicht gerade eine Sehne durchbiss. Dann, im Nest, Grauer Bruder, der vor Schmerz schnaufte, tief am Boden. Brauner Bruder … Romotschka streckte die Hand in die Dunkelheit, und seine Ohren kribbelten in düsterer Vorahnung. Nichts.
    Nichts, und wieder nichts.
    Allmählich löste sich die Anspannung in der Höhle. Romotschka hörte normale Atemzüge und Bewegungen, doch der Druck in seiner Brust wurde stärker. Er stolperte vorwärts und streckte die Hand blind und orientierungslos in den verwüsteten Raum. Weiße Schwester kam an seine Seite, er umarmte sie schluchzend und tastete sich auf die Stelle zu, an der sich die anderen steifbeinig drängten.
    Die Hunde schnupperten lange und intensiv, wandten sich dann jedoch, die letzte Wärme von Brauner Bruder in den Nasen, von der blutigen Masse ab, als gehöre auch er zu den Fremdlingen.
    Romotschka konnte nicht von ihm ablassen. Seine Finger flatterten über den Körper seines Bruders und gruben sich stochernd und stechend in jede Wunde. Winselnd leckte er das blutige Gesicht. Jaulte wie ein Hund. Fluchte und flehte. Schmiegte sich an Brauner Bruder, wie er es oft getan hatte. Nicht einmal Weiße Schwester kam zu ihm, während er schluchzte und keuchend versuchte, die Leere zu lindern, die von der Dunkelheit und den Fremdlingen in sein Innerstes gerissen worden war.
    Der riesige Körper kühlte allmählich ab. Romotschka zog es zitternd zum Nest und zu der Wärme der anderen Hunde.
    Alle außer Romotschka waren verletzt. Grauer Bruder hatte es am schwersten getroffen. Sein Vorderlauf hing schlaff herab, eine Masse aus zerquetschtem, blutverkrustetem Fleisch oberhalb des Gelenks. Weiße Schwester hatte vom Angriff des ersten Fremdlings eine klaffende Wunde in der Flanke davongetragen. Mamotschkas schönes weiches Ohr war eingerissen. Schwarze Schwester hatte eine Risswunde im Gesicht, die ihr später ein noch gefährlicheres Aussehen verleihen sollte. Die anderen wiesen Bisse in Hals und Schultern auf.
    Sie legten sich hin, leckten einander und konzentrierten sich dabei auf jede einzelne Wunde. Als sie damit fertig waren, waren die Leichen voller Eiszapfen und hart wie Stein.
     
    Die Toten waren ihre Rettung. Sie hatten genug gefrorenes Fleisch, um zu überleben, bis der Frühlingsduft durch den Schnee drang, das Tageslicht wieder stärker wurde und die Menschen die Fremdlinge vom Ödland, aus dem Wald und vom Berg vertrieben. Sie blieben in der Höhle, leckten ihre Wunden gemächlich und ausgiebig sauber und schonten ihre Kräfte. Grauer Bruder erholte sich langsam. Romotschka fütterte ihn mit vorgekauten Fleischbrocken und schlang die Arme um ihn, wenn sie sich schlafen legten. Eine Zeitlang verscheuchte er die anderen, wenn sie sich der Leiche von Brauner Bruder näherten. Doch irgendwann wurde der Kadaver auch für ihn zu einem Fremdling.
    Danach versuchten keine Fremdlinge mehr, in die Höhle der Hunde

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