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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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verhaltener Feindseligkeit miteinander aus. Das Wetter ist mild; die Ausbeute in der Stadt und im Wald ist gut. Und sie haben einen gemeinsamen Feind.
     
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    Romotschka stieß mit dem Fuß im Laub und im Müll herum. Weiße Schwester, Grauer Bruder und Schwarzer Rüde begleiteten ihn. Er sah, wie Schwarzer Rüde oben am Fluss nach Nahrung suchte, sah, dass er wie ein Hund wirkte, der dort allein herumstöberte und sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte. Grauer Bruder und Weiße Schwester waren zu seiner Rechten im Wald und wachten unsichtbar über ihn. Sie warteten darauf, dass er tiefer in den Wald eindrang, um zu jagen, und er spürte ihre beruhigende Anwesenheit, ihre Geduld.
    In letzter Zeit hatte er sich angewöhnt, ohne besonderen Grund am Waldrand herumzustreifen. Zuerst hatte er die Aufregung genossen, die er auslöste, wenn er, gefolgt von seinen Geschwistern, dort entlangging. Doch inzwischen schlenderte er scheinbar allein und ziellos herum. Er lauschte menschlichen Wortfetzen und wiederholte sie dann staunend und traurig in seinem Kopf. » Ja, ich kann dir einen tejew besorgen. Ist zwar nicht einfach, aber das schaff ich schon .« … » Wenn du nicht aufhörst zu jammern, verfütter ichdich an die Hunde! « … » Du willst was haben? FRAG DOCH DAS DACH! « Wenn er Menschen, und besonders Kinder, sah, suchte er sich eine schöne Birke und schlug wütend mit seiner Keule darauf ein, bis die Rinde völlig zerquetscht war. Dann schlenderte er wieder davon. Inzwischen kam er den Hütten und dem Rand des Dorfes schon ziemlich nahe und hatte auf vielen Birken seine Spuren hinterlassen.
    An diesem Tag sah er niemanden. Der Appell war vorbei. In letzter Zeit kamen jeden Morgen zwei bewaffnete Männer ins Dorf. Sie waren sauber, aber normal gekleidet, nur ihr Haarschnitt erinnerte an die milizia . Sie rochen schwach nach Häusern: erhitztes Öl, Schweiß und Seife. Männer, Frauen und Kinder mussten vor ihnen antreten. Dann wählten sie Männer mit Wunden, fehlenden Gliedmaßen oder Narben aus. Sie nahmen den Müttern ihre Babys weg und gaben sie anderen Frauen. Auch kleine Kinder wurden ausgetauscht, dann wurden die Leute angebrüllt, in einen Kleinbus verfrachtet und in die Stadt gefahren. Spätnachts würden alle zurückkehren, und die erschöpften Mütter würden ihre hungernden Kinder zurückholen und ihnen etwas zu essen geben.
    Hinter einer der Hütten zerschlug er mit seiner Keule einige Flaschen, doch es kam niemand heraus, obwohl er wusste, dass sich drinnen Kinder versteckten, erst vor dem Appell und jetzt vor ihm. Er wusste auch, dass sie ihn beobachteten. Den schönen Spitzenvorhang am Fenster im Augenwinkel, heulte er laut auf. Weiße Schwester und Grauer Bruder kamen herbei und setzten sich neben ihn, während er die Hintertür anstarrte. Doch nichts passierte. Er überlegte, ob er einen Teil der Plastikverkleidung, die an die Hütte genagelt war, abreißen und zertrampeln sollte, um sie zu ärgern, entschied sich aber dagegen. Die Hütteselbst war für ihn etwas Besonderes – es wäre falsch, Hand daran zu legen. Als er wieder in den Wald zurücklief, fühlte er sich unruhig, ja verzweifelt. Er wünschte sich wirklich ein Stück Spitze für seine Sammlung, oder noch besser, einen Spitzenvorhang, den er vor seinen Bau hängen könnte.
    Die Sängerin, seine Sängerin, war in dieser langen Zeit verschwunden. Auch ihre Hütte war verschwunden, vom Erdboden getilgt, als hätte sie nie existiert. Er wünschte, sie würde wieder auftauchen. Wenn er sie oder ihre magere Tochter je wiedersähe, würde er diesmal bestimmt mit ihnen reden. »Hallo«, sagte er im Plauderton zu einem schlanken Baum. Seine Stimme klang seltsam und krächzend. Er probierte es lauter: »Wie geht‘s dir?« Schwarzer Rüde kam verdutzt zu ihm, leckte sein Gesicht und lief dann mit Weiße Schwester und Grauer Bruder hinter ihm her in den Wald.
    Wenn ihn die Hunde begleiteten, gab es keinen Grund, sich vor den bomschi zu fürchten, und doch machten sie ihm Sorgen, beunruhigten ihn. Er dachte viel über sie nach, grübelte über alles, was er sie tun sah. Reviere und Pfade waren ihnen offenbar wichtig, doch außer den deutlich erkennbaren Bereichen rings um die Feuer und Häuser konnte er keine Grenzen erkennen. Deshalb fürchtete er sich ein wenig vor ihnen. Manchmal kamen sie ihm vor wie kranke Hunde oder einzelne Streuner. Sie waren unberechenbar. Manche wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten, weder ihm

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