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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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ließ sein eiskaltes Gesicht von der Wärme liebkosen. Seine Kopfhaut begann zu jucken. Er fand ein schönes dunkles Plätzchen in der Nähe der bomschi , aber nicht zu nah, und auch weit genug entfernt von den Schaufenstern der Geschäfte, die eine Seite der Unterführung säumten.
    Er setzte sich mit den beiden Hunden, nahm die Mützen ab und schlief dann einfach ein, denn er vertraute darauf, dass die Hunde auf ihn aufpassten. Doch Weiße Schwester und Grauer Bruder schliefen ebenfalls ein, denn sie vertrauten darauf, dass er wusste, was er an diesem fremden Ort tat; und irgendwie vertrauten sie auch der wundersamen Wärme, als wären sie kleine Babys. Die Menschen strömten an ihnen vorbei wie ein unpersönlicher, angenehmer Fluss. Doch plötzlich blieb ein junger Mann stehen und machte mit seinem Handy ein Foto von ihnen, und WeißeSchwester erwachte und schreckte auch Romotschka und Grauer Bruder mit ihrem Knurren auf. Romotschka sprang auf und blickte sich verwirrt um, während Grauer Bruder knurrte und so tat, als wollte er sich auf denjenigen stürzen, der ihn wehrlos überrascht hatte. Doch die Menschen strömten einfach nur an ihnen vorbei, und Romotschka ließ sich wieder nieder.
    Ihnen war jetzt mollig warm, aber sie hatten Hunger. Romotschka zog eine schmutzige Plastiktüte hervor und begann, um Essensreste zu betteln. Hier unten wurde nicht viel gegessen, doch nach und nach bekamen sie etwas zusammen. Die Einheimischen kannten das Bild – Junge, Hund, Plastiktüte – und er brauchte sie nicht einmal anzusprechen. Vielleicht fanden es manche sogar beruhigend, dieses vertraute Geschöpf aus ihrer Gegend zu sehen. Da die Essensreste ja für die Hunde waren, machte sich niemand groß Gedanken darüber, was er in die Tüte steckte. Halb aufgegessene stardogs , piroschki , slojka . Schaurma oder Kartoffelschalen. Alles, was die Leute gegessen hatten und plötzlich nicht mehr wollten. Es war nicht viel, doch sie bekamen für jeden zu Hause ein paar kleine Happen.
    Romotschka wurde allmählich nervös. Er machte sich Gedanken über die anderen und darüber, wie sehr er auf dem Heimweg frieren würde. Außerdem hatte er keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte oder was für ein Wetter draußen herrschte. Er fühlte sich losgelöst und orientierungslos. Nachdem er die Tüte verschnürt und unter seiner Kleidung verstaut hatte, damit die Essensreste unterwegs nicht gefroren, zog er all seine warmen Sachen wieder an. Dann teilte er sich mit Grauer Bruder und Weiße Schwester einen stardog , damit sie genug Kraft für den langen Heimweg hatten.
     
    ~
     
    Romotschka begab sich während seiner Streifzüge tief in die Stadt, auch weil er sich auf dem Hin- und Rückweg in der Metrostation aufwärmen musste. Er ging zu den Bahnhöfen, den Menschenmengen, besonders zu essenden Menschen, und füllte seine Tüten mit Essensresten, geschenkten Lebensmitteln und waghalsig erbeutetem Diebesgut. Normalerweise nahm er nur Weiße Schwester mit, denn sie war im Schnee fast unsichtbar. Nervös und treu ergeben blieb sie an seiner Seite, während sie durch die Straßen liefen, doch Gebäude betrat er allein und traf sich mit ihr wieder an den von ihnen markierten Treffpunkten. Er lernte den Rhythmus der menschlichen Mägen kennen und begann die Nahrungssuche erst am Ende der Essenszeit. Oft fraß er alles, was er in der Metrostation bekommen hatte, um Kraft für die Nahrungssuche zu tanken, und musste dann warten, bis die Leute ihm wieder etwas gaben. Sobald seine Tüte voll war, kehrte er mit genügend Nahrung für alle nach Hause zurück.
    Und dann hatten sie ja noch Laurentia.
    Doch es war ein langer Weg zu den Menschenmengen, bei denen es etwas Essbares gab, und als frischer Schnee fiel, wurde es immer schwieriger, weit umherzustreifen. Der Marsch zum Roma und wieder zurück dauerte fast die ganze Nacht. Es war ein langer, von Hunger geprägter Marsch, auf dem sie hintereinander aufgereiht viele Territorien von Menschen und Hunden durchquerten, in die immer größer werdende, verwirrende Betriebsamkeit eintauchten und das neue Heer von Schneeräumern und schleichenden Fahrzeugen so gut wie möglich umgingen; dann, halb vom Schlaf übermannt, begann der alptraumhafte Heimweg mit schmerzenden Beinen und einer immer näher rückenden tödlichen Kälte. Der Schnee war tief undweich, bis sie die geräumten und gestreuten Straßen erreichten, doch dort war es sehr gefährlich. Sie versuchten, sich an die eher vernachlässigten

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