Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
Vom Netzwerk:
gerichtet waren. Sie bildeten die hereinblickende Außenseite der Rippen. Er war die hinausblickende Innenseite. Eine Weile war er sehr zufrieden.
    Dann sammelte er so viele Knöchelchen auf, wie er finden konnte, brachte sie in seinen Bau und bastelte Gliedmaßen und einen Bauch für das Federtier. Vorn befestigteer den Schädel von Brauner Bruder. Er holte die Krone aus ihrem geheimen Versteck, legte sie ebenfalls in den Bauch und saß dann im Inneren seines Kunstwerks – den gefüllten Bauch hinter sich und die Höhle vor sich – wie ein riesiges, Wache haltendes Tier.
    Das war für mehrere Tage sein Zeitvertreib.
     
    ~
     
    Der Sommer ging allmählich in den goldenen Herbst über. Diesmal gab es keine Welpen. Als die Kälte in die Stadt kam, blieb Romotschka aktiv und ging jedes Mal mit den anderen auf Nahrungssuche. Die langen Nächte, in denen er an die Höhle gefesselt gewesen war, kamen ihm vor wie eine ferne Erinnerung. Dieser Winter war anders, irgendetwas hatte sich verändert. Er fror schneller, wärmte sich öfter mit den anderen im Nest auf und zitterte, wenn er auf Nahrungssuche ging. Er brauchte dringend mehr Kleidung und sehnte sich nach dem warmen Essen, das ihm manchmal geschenkt wurde. Als er sich eines Nachts unruhig im Nest hin und her wälzte, streckte er im Schlaf die Hand nach Mamotschka aus und betastete ihren glatten Bauch. Plötzlich war er hellwach.
    Es würde der erste Winter ohne Milch sein.
     
    Beim ersten heftigen Schneefall verschwanden die bomschi an der Metro, und wenig später sah Romotschka sie mit ihren Hunden hinter der Schwingtür, auf den Stufen oder in der Unterführung. Jedes Mal, wenn die Tür aufschwang, spürte er die heißen Ausdünstungen und sehnte sich danach, in diese warmen Tunnel und Ladenpassagen hinabzusteigen.
    Vor der Metro hatte er keine Angst. Er konnte sich dunkel erinnern, wie er einmal an der Hand seiner Mutter in einen lauten Zug gestiegen war. Doch er hatte Angst, von der milizia in die Enge getrieben und geschnappt zu werden. Deshalb lungerte er draußen herum, spürte, wie die Wärme in seine Richtung wehte und sich wieder verlor, bevor ihm warm werden konnte, und hütete sich, diesen fremden geschlossenen Menschenpfad zu betreten.
    Auf dem Gelände des Lagerhauses fand Romotschka zwei tote Kinder mit Sprühdosen und Klebstoff, aber nichts Essbarem in ihren Tüten; und neben einem Müllcontainer, in Zeitungspapier eingewickelt, entdeckte er ein hartgefrorenes Baby. Er rührte keine der Leichen an. Mamotschka frisst sie nicht, und ich auch nicht , sagte er sich. Er wickelte das Baby wieder ein und ließ es für andere Hunde liegen. Am nächsten Tag waren alle unter dem Schnee begraben.
    Die Kälte war so streng, dass Romotschka in Bewegung bleiben musste, wenn er sich draußen aufhielt. Sobald er sich irgendwo hinsetzte, ließen ihm Mamotschka oder die anderen keine Ruhe, bis er wieder aufstand. Auch sie wussten, dass er in Bewegung bleiben musste. Er schlang sich ein Tuch ums Gesicht und trug zwei Wollmützen, und dennoch schnitt ihm die Kälte in Nase und Ohren. Obwohl er eine ganze Menge Kleidung besaß, die er anziehen konnte, wurde ihm nur warm, wenn er in dem aufgeheizten Knäuel aus Hunden schlief, und auch dann nur, wenn er einen vollen Bauch hatte. Seine nackten Hände juckten und schmerzten, und er versuchte ständig, sie in die Ärmel oder unter die Achselhöhlen zu schieben. Eines Tages war ihm so kalt, dass er glaubte, nicht länger weitergehen zu können. Weiße Schwester und Grauer Bruder liefen besorgt hinter ihm her, während er dahinstolperte. Er schlepptesich bis zur Metro und schob sich dann mit pochendem Herzen durch die schweren Türen, eine nach der anderen, ins warme Innere.
    Flankiert von den beiden Hunden blickte er sich mit grimmiger Miene um, doch niemand beachtete ihn. Oben saßen etliche bomschi an der Wand, und er sah, dass am Fuß der Treppe noch weitere bettelten oder schliefen. Hausbewohner kamen und gingen, strömten die Stufen herauf und hinunter, teilten sich und liefen um ihn herum. Beim Heraufsteigen schlangen sie sich ihre Schals um den Hals und streiften Handschuhe an, und beim Hinabsteigen lösten sie die Schals und zogen die Handschuhe aus, doch keiner von ihnen schenkte ihm die geringste Beachtung. Auch der uniformierte Beamte in seiner Glaskabine gab sich alle Mühe, ihn nicht zu bemerken.
    Romotschka stieg die Treppe hinab in den warmen dunklen Bauch der Metrostation. Er wickelte das Tuch vom Kopf und

Weitere Kostenlose Bücher