Dog Boy
schenken. Er sammelte so viele gute Sachen, dass die Mitglieder seiner Familie ein geschmeidiges, glänzendes Fell bekamen und besser aussahen als die meisten Streuner oder wild lebenden Hunde. Er wollte nicht mehr, dass sie die Abfälle vom Berg fraßen, und es war lange her, dass er einem Müllwagen gefolgt war.
An der Metro war es für sie recht ungefährlich. Bei den Uniformierten, die dort vorbeiliefen, handelte es sich zumeist um verkrüppelte Veteranen, die einem ihre Kappe entgegenstreckten. Die Skinheadbanden und die anderen Straßenkinder bevorzugten weniger belebte Orte. Jedes Mal, wenn Romotschka Leute aus dem Wald an den Eingängen der Metrostationen oder in den Unterführungen,vor Kirchen oder Hotels betteln sah, spürte er eine gewisse Verbundenheit mit ihnen. Allein unter all den Vorbeigehenden waren sie vom gleichen Schlag wie er. Auch sie kannten ihn. In ihren Augen flackerte ein widerwilliges, von Misstrauen geprägtes Wiedererkennen auf, das nicht auflodern konnte, ohne das zarte Band zu verbrennen, das sie durch das Land, auf dem sie gemeinsam lebten, aneinander fesselte. Er wusste diesen schwachen Schimmer zu schätzen und suchte geradezu nach den Menschen vom Berg. Doch nur in der Stadt war dieses Band zu spüren. Auf dem Berg oder im Wald war er wieder ihr Feind.
Die bomschi betrachteten diesen gezähmten Romotschka mit Argwohn. Sie wussten, dass er gefährlich war und mehr Hunde besaß als nur diese beiden abgerichteten, schönen Tiere.
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Romotschka hatte so etwas wie die Beute, die Mamotschka und Goldene Hündin mitgebracht hatten, noch nie gesehen. Auch die Hunde hatten anscheinend noch nie etwas Derartiges gerochen. Es war ein riesiger Vogel mit blau schimmerndem Gefieder, langem blauem Hals (gebrochen und übel zugerichtet), weißer Maske und einer seltsamen blaugrünen Krone. Er lag auf dem Rücken, die braun gefiederten Flügel zu beiden Seiten seines toten Körpers ausgebreitet. Seine fleischige Brust erhob sich hoch in die Luft, der Inbegriff von Überfluss. Die Hunde drückten sich auf den Boden, streckten die Pfoten aus, um ihren Anspruch geltend zu machen, und warteten darauf, dass Mamotschka und Goldene Hündin das Festmahl eröffneten. Stolz standen die beiden vor dem riesigen Vogel, während die anderen daran rochen und die Nasen tief ins Gefiedersteckten, um am darunterliegenden Fleisch zu schnuppern.
Auch Romotschka steckte die Nase hinein und sog den starken Geruch von Federn und Fleisch ein. Der Todesgeruch war noch ganz frisch, der Vogel war sogar noch warm. Romotschka strich über die Federfontäne, aus der sein Schwanz bestand. Die Federn waren so lang wie Romotschka selbst und dicker als eine ganze Schicht Kleidungsstücke. Er griff unter der knurrenden Goldene Hündin hindurch, beugte sich über den Vogel und zog am Flügel, um ihn umzudrehen. Wie schwer der Vogel war! Eine richtige Mahlzeit. Wie war es ihnen gelungen, ihn ungehindert nach Hause zu bringen? Jetzt war der Schwanz in voller Größe zu sehen. Er war mit unzähligen kleinen Bildern von Augen oder Wasserpfützen bedeckt, jedes genau wie das andere, und sie alle funkelten im schummerigen Licht. Es war, als würden grüne Frühlingsknospen in der Straße glänzen. Romotschka stieß einen kurzen Freudenschrei aus. Er rollte den Vogel zurück und hockte sich auf den Federstreifen. Er wollte jetzt unbedingt fressen. Um die Federn konnte er sich später kümmern.
Die Hunde liefen mit wedelndem Schwanz und aufgestellten Ohren hin und her. Dann begannen Schwarzer Rüde, Goldene Hündin und Mamotschka die Federn in riesigen Büscheln auszureißen, säuberten sich die vollen Mäuler mit Zunge und Pfote und machten dann weiter. Auch Romotschka rupfte jeweils eine Handvoll aus und warf alles hinter sich. Die anderen packten die Beine und Flügel am äußeren Rand und zerrten, und im Handumdrehen hatten sie den Vogel zerlegt. Der herrlich kräftige Geruch von Fleisch und Eingeweiden stieg ihnen in die Nasen. Alle drängten sich heran, tief am Boden, die Ohren flach an denKopf gelegt, und schmuggelten sich an Mamotschka und Schwarzer Rüde vorbei, die beide knurrten.
Romotschkas Hände klopften und fingerten rings um seinen kauenden Mund und tasteten nach den Bissen, auf die er es abgesehen hatte. Der Vogel war ein Männchen. Romotschka war ein bisschen enttäuscht, aber nicht überrascht. Farbenprächtige Vögel waren fast immer männlich. Er mochte weibliche Vögel: der Fleischstrumpf, in dem die
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