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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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sich auf der richtigen Seite, flussaufwärts von der Brücke, und zu seiner großen Freude konnte er sie sogar sehen. In gleichmäßigem Tempo lief er zurück, den kalten Pfad entlang, dem er und Weiße Schwester vor über einer Woche gefolgt waren.
    Die Schrecken jenes Ortes trieben ihm den Schweiß auf die Stirn. Er blickte sich um. Es gab keine Markierung, die zeigte, was passiert war, und seine lächerliche Jungennase würde außerstande sein, Weiße Schwester zu finden. Seine Verzweiflung kehrte zurück. Er war allein, seine Familie verloren, seine Schwester verletzt: Und all das war sein Werk. Auch wusste er nicht, wie er nach Hause gelangen sollte. Seine Ohren dröhnten, ihm wurde schwarz vor Augen, die Welt entzog sich seinem Blick.
    Und dann wurde er genauso plötzlich, wie er zuvor gefangen worden war, von der Wucht der jaulenden, schwanzwedelnden, kläffenden Weiße Schwester zu Boden gestoßen. Sie kaute und schlabberte an seinem Gesicht und den Armen, stieß ihm den Kopf in den Bauch und warf sich ungestüm an seine Brust, um sich umarmen zu lassen. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Hals und schluchzte vor Glück. Dabei drückte er sie so fest an sich, dass sie ihn knaffte, um sich zu befreien. In wilder Freude, mit glänzenden Augen, tollte sie um ihn herum. Schließlich sprang sie mit freudiger Entschlossenheit auf und drehte sich zu ihm um: Lass uns sofort aus dieser schrecklichen Stadt verschwinden!
     
    Bei Einbruch der Dunkelheit begann es zu regnen, und zu Romotschkas Freude rann aus den breiten silbernen Fallrohren, die an den älteren Gebäuden angebracht waren, Wasser auf den Gehsteig. Er lief hinüber, bückte sich und hielt den offenen Mund unter eins der Rohre, dann ließ er Weiße Schwester aus seiner hohlen Hand trinken. Sie liefen den ganzen Abend und die ersten Nachtstunden weiter, durch Gassen und Straßen, kehrten aus jeder Sackgasse wieder zurück, warteten ängstlich im Regen, bis sich der Verkehr auf den Straßen, die sie überqueren mussten, gelichtet hatte, liefen aber immer im Zickzack, bis Weiße Schwester wieder wusste, wo es nach Hause ging, und dann setzten sie ihren Weg fort. Weiße Schwester war noch weiter abgemagert, doch zu Romotschkas Erleichterung war ihr Interesse an Menschen erloschen. Beharrlich wandte sie sich immer wieder an ihn, ausschließlich an ihn. Sie blieben nur stehen, um in Müllcontainern nach Nahrung zu suchen.
    In einem großen Bahnhof, in dem mehr bomschi Unterschlupf fanden, als Romotschka je gesehen hatte, verbrachten sie die Nacht. Kurz vor Tagesanbruch gab Romotschka Weiße Schwester ein Stück Brot aus seiner Tasche, dann brachen sie wieder auf, und obwohl sie durch den windgepeitschten Regen liefen, wurde ihnen bald warm. Er fraß im Laufen.
    Am Vormittag tauchte plötzlich das Roma vor ihnen auf. Romotschka jubelte, und Weiße Schwester sprang vor Freude in die Luft. Sie liefen zur Rückseite des Gebäudes. Bei Tageslicht waren sie noch nie dort gewesen; die Gasse lag verlassen da, und das Restaurant war geschlossen. Weiße Schwester rannte umher und winselte vor Glück, als sie einen kalten Pfad der Familie roch. Romotschka kratzte leise jammernd an der verschlossenen Tür, doch drinnen war nichts zu hören. Laurentia war nicht da.
    So hungrig sie auch waren, sie spürten, dass sie so gut wie zu Hause waren, und brachen auf dem vertrauten Pfad auf, als wäre er selbst etwas zu fressen und könnte ihnen die Kraft verleihen weiterzugehen.
    Am Spätnachmittag erreichten sie endlich die Freifläche und liefen müde, mit glasigem, aber erwartungsvollem Blick zur Höhle. Es war niemand zu Hause. Sie warfen sich mit ihren schmerzenden Körpern aufs Bett, leckten sich gegenseitig das Gesicht und warteten. Romotschka war glückselig und erschöpft. Er ließ die Finger über Weiße Schwester gleiten; sie war viel knochiger als vorher. Es kam ihm so vor, als wäre das Ganze schon eine Ewigkeit her. Und auch, als wäre es erst an diesem Morgen passiert.
    Sie hörten das freudige Crescendo des Rudels, als die anderen ihre Fährte entdeckten, hörten, wie es auf dem Hof zu einem Gerangel und Geheul anschwoll, und dann stürzte sich ein Hund nach dem anderen jaulend, winselnd und mit dem Hinterteil wackelnd auf ihn und Weiße Schwester. Sogar Schwarze Schwester, deren steifer Körper vor Freude taumelte, näherte sich ihnen mit gesenkter Schnauze, und als Romotschka die Arme um sie schlang und ihr Gesicht leckte, zitterte sie. Er hielt sie in den Armen, sie

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