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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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nicht mehr besonders lustig. Einige verlangten ihr Geld zurück. Belows lauthals gepriesene Idee, einen weiteren Hund mitzubringen, um Kämpfe zu veranstalten, wurde nie verwirklicht.
    Romotschka wünschte sich diesen Hund und ein wahres Hundsein sehnlichst herbei. Wäre er tatsächlich ein Hund, hätte er nur die Körper der Menschen, aber nicht ihre Sprache verstanden. Wäre er tatsächlich ein Hund, würde er nicht ihre Namen und die Namen ihrer Kinder kennen. Er würde nicht jedes Wort und jeden Satz hören und im Gedächtnis behalten und sich nicht von ihrem Leben außerhalb des Polizeireviers lähmen lassen: Er würde nur ihren Geruch, ihre Aggressivität und ihre Quälereien kennen; und das, was sie aßen.
    Er verlor jeglichen Kampfgeist. Stumm und traurig starrte er vor sich hin, ohne zu knurren oder zu schnappen, und wehrte sich nicht einmal, wenn er herumgeschubst wurde. Er glaubte nicht mehr daran, freizukommen, wenn er seine menschliche Seite verbarg, und dennoch blieb er ein Hund, außerstande, einfach zu seinem Jungen-Ich zurückzukehren. Erst allmählich überkamen ihn die Sorgen eines Jungen und schwirrten ihm in Bildern durch den Kopf. Mamotschka, die mit hoch erhobenem Kopf einen weißen Hasen im Maul trug. Schwarzer Rüde, der mit schuldbewusstem Blick Romotschkas blauen Mantel zwischen den Pfoten hielt. Weiße Schwester, die unter einem silbernen Abflussrohr Wasser aus einer hohlen Hand schleckte. Seiner Hand. Weiße Schwester, die voller Freundlichkeit fremde Menschen anbettelte. Weiße Schwester, die auf der Straße zusammenbrach.
    Hatte er sie wieder aufstehen sehen?
     
    Eine Woche später kam noch einmal Major Tschernjak. Romotschka kauerte in seiner Zellenecke, die Arme um seine nackten Knie geschlungen, und weinte leise vor sich hin.
    »Warum ist der Junge noch hier? Er weint. Habt ihr Idioten ihm was zu essen gegeben?« Einhelliges Gemurmel ertönte. »Hat irgendwer das Jugendamt verständigt?« Alle blickten sich an, und schließlich herrschte allgemeines Kopfschütteln.
    »Er sollte nicht hier sein. Zieht ihn an und sagt den Leuten vom Jugendamt, sie können kommen, sollen aber darauf gefasst sein, gebissen zu werden. Wir haben unseren Teil getan und den Jungen geschnappt, haben ihn sogar sauber gemacht. Er ist ihr Problem, nicht unseres. Und wenn er weg ist, reinigt die Zelle mit einem Dampfstrahler. Der Gestank ist ja furchtbar.«
    Am nächsten Morgen wurde Romotschka festgehalten und gewaltsam in Kleidungsstücke gesteckt, die nach Seife und Belows Tabak rochen und ihm zu groß waren.
    Below lachte. »Übergebt ihn dem Idioten im Anton-Makarenko-Zentrum.« Er machte eine rüde Handbewegung. »Viel Spaß beim Wiedereingliedern, du Schwachkopf!«
    Tschernjak lachte mit den anderen. »Ruft einfach die übliche Nummer an. Wenn sie die Makarenko-Leute hinzuziehen wollen, ist das ihr Bier.«
     
    Romotschka überlegte. Man hatte ihn in der Zelle erstaunlich gut ernährt, und er fühlte sich körperlich stark. Ihren Gesprächen entnahm er, dass er verlegt werden sollte, und seine Laune stieg wie der Saft der Bäume im Frühling. Den ganzen Morgen bemühte er sich, lammfromm zu sein, und kramte sein Jungen-Ich so gut wie möglich wieder hervor. Er stand mit niedergeschlagenem Blick auf zwei Beinen da, ohne ein einziges Mal zu knurren oder die Zähne zu fletschen.
    Es klappte. Er wurde ohne großes Aufheben oder Gewaltanwendung zu einem weißen Kleinbus hinausgeführt,flankiert von drei milizi und zwei Sanitätern, die freundlich mit ihm sprachen. Genau in dem Moment, als die Sanitäter das Kommando übernehmen und ihn in den Wagen stecken wollten, duckte er sich, riss sich los und rannte, mit beiden Händen die zu lange Hose festhaltend, schleunigst davon. Hinter sich hörte er den Lärm seiner Verfolger, doch er war schneller.
    Schon nach kurzer Zeit blieben ihre Schreie und Ausrufe, ihre schweren Schritte weit hinter ihm zurück. Als er eine Sirene hörte, bog er in eine schmale, kurvige Straße und flitzte von da in eine Gasse. Er rannte in einem Höllentempo weiter und fand sich plötzlich an einer anderen großen Straße wieder, deren breiter Gehsteig von Menschen wimmelte. Als eine geeignete Gasse abzweigte, verließ er auch diese Straße und lief im Zickzack eine Reihe von Wegen und Durchgängen entlang, bis er sicher war, dass er seine Verfolger abgeschüttelt hatte.
    Mit immer noch pochendem Herzen verlangsamte er seine Schritte und erschnupperte den Weg zum Fluss. Diesmal befand er

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