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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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Spätherbst kam Mamotschka kurz vor Morgengrauen in die Höhle und brachte einen seltsamen Geruch mit herein. Alle blickten auf, Nasen und Ohren neugierig ins Dunkel gestreckt. Mamotschkas Schritte waren unbeholfen, träge, und der stockende Rhythmus deutete darauf hin, dass sie die Beine schräg auf den Boden stemmte, um etwas Schweres, Lebendiges zu schleppen.
    Sie strauchelte und schleifte ihre Last dann zum Nest herüber. Romotschka setzte sich auf. Von ihr ging ein äußerst seltsamer Geruch aus. Sie schleppte – schleifte – ein wimmerndes Menschenbaby am Kragen.

III
    Das Baby war so schwer, dass sie es kaum mit dem Maul tragen konnte. Obwohl Romotschkas Sehvermögen bei Nacht am schlechtesten ausgeprägt war und die anderen es lange vor ihm gerochen haben mussten, knurrte er als Erster. Mamotschka schenkte ihm keine Beachtung, sondern ließ das Kind ins Nest plumpsen und begann, sein Gesicht und seine Hände zu lecken. Die beiden Welpen Kleine Goldene und Kleine Gefleckte drängelten und schubsten sich in seiner Nähe. Plötzlich schluchzte und schrie das Baby, erst kaum hörbar, doch dann lauter, mit abgehackten Atemzügen. Den Hunden sträubte sich das Fell. Sogar Romotschka konnte die Angst riechen, die unter ihren Schwänzen und Hälsen hervor in der dunklen Höhle aufstieg.
    Romotschka wollte sich nicht beruhigen. Seine Haut kribbelte und juckte, die Flöhe waren eindeutig lästiger als sonst. Er schnappte nach Schwarze Schwester und vertrieb auch Weiße Schwester. Dann lag er leidend bis zum Morgengrauen da, stolz, zornig und frierend. Seine Mamotschka blickte nicht einmal in seine Richtung. Wo warst du, Mamotschka? , fragte er in die Dunkelheit. Was hast du getan, um dieses Ding herzubringen? Er hätte sich wohler gefühlt, wenn er gespürt hätte, dass sie in seine Richtung blickte und ihm antwortete, doch es kam keine Antwort, die ihren Verrat erklärt hätte.
    Er hörte das neue Kind nuckeln und wimmern, bei Tagesanbruch dann zufrieden glucksen, ein Geräusch, das in der Höhle vertraut und doch fremd klang. Steifbeinig und frierend stand er auf, schnappte sich seine Keule und stelzte dem Tageslicht entgegen. Schwarze Schwester, WeißeSchwester und Grauer Bruder folgten ihm unverzüglich, und er fühlte sich sogleich besser. Sie waren auf Ärger aus. Heute, dachte er wütend, stehlen wir jemandem seine Einkäufe. So etwas hatten sie seit dem strengen Winter des Vorjahres nicht mehr getan.
    Romotschka hielt sich von Mamotschka und ihrem Baby fern, und auch sie schenkte ihm keine Beachtung. Stundenlang ging er auf Nahrungssuche und brachte Einkaufstüten mit, die mit den Früchten waghalsiger Diebstähle gefüllt waren. Er blieb stolz und zurückhaltend und nahm gekränkt, aber auch freudig zur Kenntnis, dass Mamotschka nicht selbst auf Nahrungssuche gehen musste: dass sie sich, die beiden Welpen und den neuen Jungen von dem ernährte, was er heranschaffte.
    Nach zwei Nächten fehlte ihm Mamotschka so sehr, dass er es nicht mehr aushielt. Als das erste Tageslicht in die Höhle sickerte, kroch er zum Rand des Nestes hinüber. Mamotschka blickte von den beiden Welpen und dem Jungen auf und knurrte. Er legte sich hin, schob seine bedrohlichen Hände zwischen seine Beine und wartete mit gesenktem Blick. Früher oder später würde sie aufhören zu knurren und ihn lecken.
    Nachdem Mamotschka ihm am Vormittag das Gesicht gesäubert hatte, konnte er sich heranschleichen und das Baby aus der Nähe betrachten. Es war winzig klein. Bestimmt viel kleiner, als er selbst je gewesen war. Im Halbdunkel der Höhle sah er, dass es ein Mondgesicht mit hellen Augen, hellem Haar und der winzigsten, nutzlosesten Nase hatte, die ihm je untergekommen war. Es war unbehaart und pausbäckig und unter dem zerrissenen Strampelanzug, an dem Mamotschka es hergeschleppt hatte, in gepolsterte, weiche Sachen gekleidet. Für das Nest roch es zuschmutzig, aber auf eine interessante Weise. Es gab eindeutig einen ganz besonderen Kot von sich, der von seiner Kleidung aufgefangen wurde. Dennoch würde es lernen müssen, im Nest keinen Kot abzusetzen: Alle wussten, dass man so etwas im Nest nicht tat.
    Er zog ihm den Strampelanzug aus, um genauer zu sehen, was sich darunter befand, und dann ein Kleidungsstück nach dem anderen, während es kreischte und gluckste und ihn mit seinen Händchen, die für ihre Größe erstaunlich kräftig waren, an den Haaren zog. Auch Mamotschka war begierig, an die nackte Haut zu gelangen, und leckte alles

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