Dog Boy
leckte sein Ohr, und dann streckte sie den Kopf vor, um auch Weiße Schwester ein einziges Mal übers Gesicht zu lecken. Schwarzer Rüde und Grauer Bruder sprangen mit zurückgelegten Ohren und angezogenen Hinterbeinen wie wild im Keller herum und jagten dann hintereinander her, um ihrer Freude Luft zu machen. Die trächtige Mamotschka drückte ihren überraschend großen Bauch in Romotschkas Arme und zwickte ihn jaulend immer wieder ins Gesicht, als würde es nicht ausreichen, ihn zu lecken, um glauben zu können, dass sie ihn zurückhatte.
Ihre Nahrungssuche war erfolgreich gewesen, doch sie hatten die Beute vor Aufregung draußen auf der Freifläche liegenlassen. Als alle sich beruhigt hatten, rannten sie hinaus und kehrten mit einem weichen Sommerhasen und drei steifen Raben zurück.
~
Romotschka konnte sich nicht lange von der Metro fernhalten. Seit sie ihn entführt hatte, war er zwar vorsichtiger, aber auch schrecklich neugierig. Ein paar Tage lang ging er mit den Hunden am Berg auf Nahrungssuche, doch seine Ohren waren stärker als je zuvor auf Menschen eingestellt. Er suchte nach Hinweisen auf diese andere Welt und bemerkte erstaunt, dass sie, unhörbar für ihn, die ganze Zeit dagewesen war. Die Leute hier kannten Below. »Major Below«, hörte er den Einbeinigen sagen, »Zuhälter, Bettel-meister, Babyhandel, du weißt schon … das Dach. Mit ihm musst du reden.«
Er tauschte die meisten seiner Münzen gegen eine kostbare Sammlung von Fahrkarten ein. Wenn er sich in der Höhle ausruhte, spielte er damit, schob sie zu Mustern zusammen und ließ seine Familie daran riechen.
Schon bald zog es ihn wieder zur Metro, die Fahrkarten in der Tasche. Er hielt Augen und Ohren offen, erkannte schnell, dass die Stationen Namen hatten, und merkte sich den Namen seiner eigenen. Überall in seinem Territorium gab es Metrostationen, und nach und nach lernte er, wie man beim nächsten Halt ausstieg und dann nach Hause lief. Dann beim zweiten und beim dritten Halt. Weiße Schwester blieb seine einzige Begleiterin, weil sie sich mit den unterirdischen Pfaden und ihren Gefahren auskannte. Die anderen begleiteten ihn zum Metroeingang, aber nicht weiter, und nicht einmal Schwarze Schwester zeigte sich verbittert. Ihm ging rasch das Geld aus, und als die Bettelmeister merkten, dass er nicht mehr nur Essensreste, sondern auch Geld annahm, wurde das Leben gefährlicher.
Die Erkundung des unterirdischen Territoriums öffnete seine Sinne für die Menschen, und allmählich wurde er sich bewusst, was man mit Geld anfangen konnte. Er konnte keinen Laden betreten, das wusste er, ohne es ausprobieren zu müssen. Aber Straßen- und Metrokioske waren für alle da. Es war kinderleicht! Er war erstaunt, dass er nicht früher darauf gekommen war. Man streckte einfach ein paar Münzen aus und deutete auf die gewünschte Ware. Wenn der Verkäufer wartete, mit den Händen fuchtelte oder etwas sagte, zog man eine weitere Münze hervor.
Er begann, an den Kiosken warmes Essen zu kaufen – stardogs , piroschki , mit Käse gefülltes Brot, bubliki und schaurma , die er und die Hunde verzückt hinunterschlangen. Wenn er auf die Hunde zeigte, bekam er manchmal noch ein paar Essensreste, besonders wenn er zugleich etwas kaufte. Er gab das Geld genauso schnell aus, wie er es bekam.
Mamotschka mochte das frische Fett an seinen Händen, sah es aber nicht gern, wenn er auf der Rolltreppe zur Metro hinabfuhr. Sie wollte ihn dazu bringen, auf dem Berg oder im Wald nach Nahrung zu suchen, doch das tat er nur noch selten. Die Metro lockte ihn in ihre herrlichen Ladenpassagen, in ihren Basar mit warmen, fettigen, in Teig gebackenen Speisen und in ihre verführerische Menschenwelt.
Mamotschka beobachtete, wie er ging, beobachtete jeden Schritt, den er machte, beunruhigt, aber untätig. Manchmal hockte sie so reglos auf den Hinterbeinen, dass er ihre Silhouette mit dem alten Bild der Wache haltenden Goldene Hündin verwechselte. Ihr Verhalten ärgerte ihn. Er schubste sie, zerrte sie, lockte sie ins Nest. Nachdenklich leckte sie ihn eine Weile und hörte dann gedankenverloren auf. Auch nach der Geburt ihrer beiden Welpen machte Mamotschka sich weiterhin Sorgen. In diesem Herbst versuchte Romotschka nicht, an ihren Zitzen zu saugen, und auch an den Welpen zeigte er kein Interesse. Er war ständig draußen in der Metro, blieb stundenlang fort, kehrte spät zurück und brachte manchmal nicht einmal etwas zu fressen mit.
Eines Tages im
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