Dog Boy
Stürme. Eines Tages kühlte sich die Luft ab, und der Schnee, der eher aufwärts als nach unten zu fallen schien, bestäubte alles und blieb dort liegen. Am nächsten Tag war es dann so weit; sanft wirbelnd füllte der Schnee alle Löcher und Flecke aus und machte alles glatt und geheimnisvoll. Von einem Tag auf den anderen waren die Eichhörnchen besser zu sehen. Keiner von ihnen hatte je ein Eichhörnchen gefangen, deshalb versuchten sie es auch gar nicht. Bei dem kurzen rotgrauen Aufblitzen wandten sie die Köpfe, doch Romotschka wusste, dass nur Welpen hinter ihnen herjagten.
»Schtschenok!« Die Hunde blickten überrascht auf, als sie hörten, dass Romotschka seinen Bruder genauso nannte wie die Menschen ihre Hunde. Romotschka war zufrieden: Sie würden erkennen, dass Welpe keiner von ihnen war. Welpe schlich mit wackelndem Hinterteil und hoffnungsvollem Blick zu seinen Händen. Er leckte Romotschkas Finger, Arme und Wange. Romotschka stieß ihn zu Boden, rollte ihn auf den Rücken und knurrte gereizt, und Welpe lag völlig reglos da, die Augen fast ganz geschlossen, der Körper stocksteif, bereit, die Strafe zu empfangen, die Romotschka verhängen wollte. Als Romotschka verzweifelt seufzte und sich neben ihn legte, entspannte Welpe sich langsam und begann leise zu wimmern. Am liebsten hätte Romotschka geweint oder geschrien. Er streckte die Hand aus und streichelte Welpe, spürte das Glücksgefühl, das seinen kleinen Bruder durchströmte, und dann, wie der kleine Körper in den Schlaf sank.
Romotschka weigerte sich, an Welpe zu riechen. Er weigerte sich, Welpe zu lecken. Doch all das funktioniertenicht. Auch Romotschka sah, dass der Kleine zu einem Hund wurde, und je mehr er sich bemühte, Welpe das Gegenteil zu beweisen, desto mehr schien er, Romotschka, zu einem Menschen zu werden.
Romotschka wusste genau, wie perfekt Welpe war: Er beherrschte nur die Hundesprache. Er schien alles riechen zu können, was er wissen musste, schnupperte immer wieder und stand dann lange nachdenklich da. Wenn er aufwachte, schnupperte er schnell, prüfend in jeder Ecke nach allem, was in seiner Abwesenheit passiert war. Und er lief flink und flüssig auf vier Beinen.
Je deutlicher Romotschka Welpes Verwandlung erkannte, desto gereizter und missmutiger wurde er gegenüber den anderen. Ihm wurde bewusst, dass er, Romotschka, Laute von sich gab, die kein Hund gebrauchte, dass er bei Kämpfen eher Stöcke, Nagelbretter und Keulen benutzte als seine Zähne, dass er mit den Händen fraß: Meistens verhielt er sich wie ein Junge, ein Menschenjunge, und wie die Menschen ging er auch aufrecht. All das – seine Wörter, seine greifenden Hände und seine Haltung, alles, was ihn innerhalb der Familie so respekteinflößend und nützlich machte, weil er der Einzige war, der unter Menschen nicht auffiel, kam ihm jetzt wie ein unerträglicher Mangel vor.
Eines Tages versuchte er, auf vier Beinen zu laufen, doch das war ein schrecklicher Fehler. So war er schon seit über einem Jahr nicht mehr gelaufen, und Welpe war trotz seines ungelenken, tollpatschigen Gangs hündischer, als Hund unbefangener. Romotschka kam sich mit den Händen auf dem Boden unnatürlich und behindert vor, als hätte er genau die Fähigkeiten abgelegt, die Welpe sich gerade so unglaublich schnell aneignete. Er schlich zum Bett seiner Mutter und knurrte, als sie kam, um sich hinzulegen. Sie leckteihn, trotz seiner schlechten Laune, und legte sich dann neben den Eingang.
Einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang lag er allein auf dem Bett und weigerte sich, auf Nahrungssuche zu gehen. Er knurrte und schlug mit der Keule nach jedem, der ihm nahekam. Wenn Welpe sich ihm genähert hätte, hätte er ihn vielleicht ernstlich verletzt. Doch der tollte am Eingang mit ihrer Mutter und den anderen Welpen herum, während Romotschka ihn mit finsterem Blick, das Kinn in die Hände gestützt, beobachtete. Er ist ein Junge, kein Hund.
Ein Junge, kein Hund, dachte er unglücklich. Und im selben Moment wusste er, dass das auch für ihn galt. Er beobachtete Welpe mit langsam wachsender Verzweiflung. Welpe hatte Kleine Gefleckte am Ohr gepackt und schüttelte und zerrte sie, rollte sie auf den Rücken. Romotschka erinnerte sich, dass Welpe noch vor einer Weile dabei gekichert hätte. Jetzt knurrte und brummte er bloß noch.
Vielleicht war der Kleine doch kein Junge mehr.
Romotschka drehte sich zur Wand, rollte sich zusammen und versuchte, mit Welpes Stimme in den Ohren und
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