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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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vors Gesicht zu halten. Sie trommelte mit den Fingern, beugte sich vor und rief mit jammernder Stimme in die Luft über ihrem Schreibtisch:
    »Dr. Pastuschenko bitte zum Empfang!«
    Sie hatte Angst vor ihm, und er fühlte sich etwas wohler.
    Im Eingangsbereich hallte und stank es, seifig und scharf. Die Frau roch nach Schweiß und etwas Unangenehmem, das er nicht kannte. Weder nach Blumen noch nach Obst oder Fleisch. Nicht nach Tier. Die hohen Wände waren frisch gestrichen, doch an dem eisernen Geländer, das zum nächsten Stockwerk hinaufführte, war die Farbe abgestoßen und blättrig. Es roch nach Kinderheim, nach bösen Erinnerungen und einer lauernden Traurigkeit. Draußen hörte er immer noch das Kreischen der Kinder und ein Stockwerk höher das Trommeln von kleinen Schritten. Aber Welpe roch er nicht.
    »Dr. Pastuschenko!«, quiekte die Frau, die ihr Tuch weggezogen und den Kopf zum Schreibtisch vorgebeugt hatte. Ihr Blick glitt immer wieder zu einer Tür neben dem Geländer, deshalb schaute auch Romotschka dorthin und wartete.
    Zu seiner Überraschung stürmte plötzlich durch eine ganz andere Tür eine junge Frau herein, die eine Wolke von Chemiegeruch und Blumenduft hinter sich herzog. Sie hatte glänzendes braunes Haar, genauso lang wie sein eigenes, aber lockig, nicht verfilzt.
    Mit großen Schritten kam sie herein, eilte an ihm vorbei und erstarrte plötzlich wie ein junger Elch, um ihn mit dunklen Augen anzustarren. Auch ihre Hand fuhr zum Gesicht, doch dann überlegte sie es sich anders und ließ sie wieder sinken. Während sie ihn musterte, herrschte Schweigen.
    »Dr. Iwanowna! Dr. Iwanowna! Bitte tun Sie doch etwas! Ich hab Dr. Pastuschenko schon mehrmals ausgerufen!«
    »Ist schon okay, Anna«, sagte die Elchfrau leise. Diese Stimme. Weich, volltönend, alle Klangfarben. Nicht leuchtend wie Pewiza, sondern glühend. Kohlen. Romotschka wankte: Wenn Pewiza eine Schwarze Schwester hatte, dann war es diese Elchfrau. Sie roch wie eine Frau, die mit einem Mann zusammen ist und ihrer beider Gerüche an ihrem Körper trägt, um andere fernzuhalten. Doch sie hatte nichts von Pewizas Leid und Schmerz. Er hatte jetzt Angst, war verwirrt – befürchtete, er könnte vergessen, wie er Welpe finden sollte.
    »Bruder Schtschenok!«, krächzte er.
    »Aaaaaaah«, sagte die Stimme leise und deutlich. »Da brauchen wir wirklich Dr. Pastuschenko.«
    Romotschkas Herz pochte. Welpe war hier, irgendwo, sonst wüsste sie nicht Bescheid.
    Die Schritte eines Erwachsenen polterten die Treppe herunter, und als die Beine eines Mannes auftauchten, rief eine trockene, kratzige Stimme:
    »Anna, hier bin ich! Usch … was ist denn das für ein Gestank !« Beim letzten Wort blieb er unvermittelt stehen. Elchfrau drehte sich zu ihm um, und Anna lief aufgeregt hinter ihrem Schreibtisch auf und ab.
    Elchfrau lächelte und machte ein paar kurze Atemzüge.
    »Er will seinen Bruder Welpe haben!«
    Bei diesem Wort zuckte der Mann zusammen. » Welpe «, betonte sie noch einmal.
    Dann herrschte ein langes Schweigen.
    Das Tageslicht, das durch die Fenster im Treppenhaus fiel, beleuchtete den Mann von hinten, und Romotschka konnte ihn nicht deutlich erkennen. Er war groß und hager, und es war sein Geruch, den Elchfrau an sich trug.
    »Dein Bruder ist hier«, sagte er, seine Stimme welk und raschelnd wie die Blätter im Herbst. »Es geht ihm gut.«
    Der Mann trat einen Schritt vor, und Romotschkas Blick fiel zuerst auf seine Augen. Sie waren grau, getrübt durch eine Mischung aus Trauer und Sehnsucht, aber freundlich. Er kam ziemlich nah heran, und obwohl er nicht zu bemerken schien, dass Romotschka seine Keule umklammert hielt, kniete er sich hin und nahm eine unbedrohliche Haltung ein. Er war so nah, dass Romotschka seinen wahren Geruch am Kopf wahrnehmen konnte und in dem dünnen strohblonden Haar weiße Sprenkel entdeckte. Der Mann nahm ganz offen die Nase zwischen Daumen und Zeigefinger und sprach mit näselndem Krächzen.
    »Wie heißt du?«, fragte er. Zum ersten Mal hatte ihn einer von ihnen direkt angesprochen, und Romotschka wünschte, er hätte einen knurrenden Hund neben sich, der sie in Schach hielt. Einen Augenblick war er ganz verdattert und überlegte, ob er Reißaus nehmen, knurren und die Keule schwingen sollte. Alles zusammen. Plötzlich errötete er.
    »Romotschka.«
    Der Mann stand auf.
    »Natalja, bringen wir Romotschka zu seinem Bruder.«
    Lachend betrachtete sie den Mann unter ihren Wimpern hervor, dann stiegen die

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