Dog Boy
die ganze Mannschaft zusammen, und ihre Begeisterung steckte alle um sie herum an. Seine Verhaltens- und Entwicklungspsychologen waren die besten in ganz Moskau. Der Neurologe war eine prominente Figur des öffentlichen Lebens und ein ausgezeichneter Arzt, der seine Zeit zwischen dem Zentrum und der Universität aufteilte. Die Geschäftsführerin Anna Alexandrowna hielt das ganze Institut scheinbar mühelos in Gang und war bereits vor Dimitris Ernennung zum Direktor auf mehreren Posten seine Sekretärin gewesen. Und sein engster Freund Konstantin Petrowitsch, Sicherheitschef und Fahrer, war ebenfalls Kinderpsychologe (mit kubanischem Abschluss) – und ein wahres Juwel. Die Sonderlehrer, Krankenschwestern und das sonstige Personal waren handverlesen, abgeworben von allen Ministerien und Fachbereichen, für die Dimitri und Anna Alexandrowna je gearbeitet hatten. Das ganze Team, von den Hausmeistern und Köchinnen bis zur medizinischen Abteilung, war stolz auf die Arbeit, die es im Zentrum leistete.
Nur das Gebäude ließ zu wünschen übrig. Dimitri ärgerte sich jeden Morgen, dass die Umgestaltung dieses alten Kinderheims so eilig über die Bühne gegangen war. Sie waren bestens ausgestattet und hatten ein paar Räume umbauen lassen, doch der Anstrich war ungleichmäßig, und in den Zimmern der Kinder standen noch immer die alten Metallbetten von früher. Allerdings nicht mehr so viele, und auch die Bettwäsche war besser.
Im Zentrum wurden zu diesem Zeitpunkt fünfunddreißig Kinder beherbergt und erzogen, die man aus Heimen gerettet hatte. Dabei war es nicht unbedingt so, dass die von ihnen in den Heimen zurückgelassenen Kinder nicht zu erziehen waren. Es gab unglaublich viele benachteiligte, aber intelligente Kinder. So besuchten sie regelmäßig ein örtliches Kinderheim, in dem achtzig Prozent der hundertzwölf Kinder die spezielle Eignungsprüfung bestanden,die sich Natalja und Dimitri ausgedacht hatten, und normale kognitive Funktionen zeigten, solange bei den Ergebnissen ihre reizarme Umgebung berücksichtigt wurde. Manche wurden ausgesiebt, weil sie zu lange in einem Heim gelebt hatten – im Alter von vier Jahren galten sie als hoffnungslose Fälle –, andere, weil sie extreme Verhaltensprobleme zeigten, und wieder andere weniger wegen geistiger Störungen als wegen körperlicher Schäden (in diesen Fällen wurde empfohlen, sie zu verlegen). Die Regierung wollte, dass aus dem Zentrum nur Erfolgsgeschichten und wissenschaftliche Spitzenforschung hervorgingen.
Dimitri versuchte die unangenehme Aufgabe mit klinischer Nüchternheit anzugehen, doch Natalja war von Anfang an rücksichtslos und manipulativ, und zwar auf eine Art, die er bewunderte, wenn er mit ihr zusammen war, die ihn aber erschaudern ließ, wenn er im Nachhinein darüber nachdachte. Sobald sie ein Kind sah, das nach Dimitris Ansicht unempfänglich war und ihre Möglichkeiten überschritt, sagte sie entschlossen: »Wir holen das Kind hier raus.«
Gewöhnlich entdeckte sie ihr Kind schon kurz nach Betreten des Raumes, und manchmal schien sie ihre Entscheidung nur aus Mitleid zu treffen. Hässliche, unterentwickelte oder seelisch tief verletzte Kinder fand sie besonders anziehend, doch als Dimitri das einmal laut aussprach, herrschte anschließend zwischen ihnen frostiges Schweigen. Sie manipulierte ihn, sie fälschte Berichte, sie frisierte die Statistiken und Ergebnisse, sie zahlte ohne Zögern Bestechungsgelder (wobei sie nicht nur ihre eigenen Mittel, sondern auch die des Zentrums verwendete), damit negative Berichte über den Geisteszustand der Kinder verschwanden; und mit seiner widerwilligen Hilfe holte sie jedes vonihr ausgewählte Kind aus dem Heim ins Zentrum. Noch schlimmer war, dass sie sich bislang noch nie geirrt hatte: Bis auf ein paar Probanden, die gestorben waren, entwickelten sich alle prächtig.
Und genau das machte Dimitri Sorgen: Vielleicht hätte keines der Kinder, die sie gesehen und als normal eingestuft hatten, zurückgelassen werden dürfen. Bald nachdem Natalja begonnen hatte, seine Nüchternheit zu untergraben, wurden ihm die Besuche in den Kinderheimen zu einer Qual. Sogar sein Lieblingsheim, geleitet von einer barmherzigen und tüchtigen ehemaligen Militärangehörigen, entsetzte ihn, trotz der gewissenhaften Fürsorge, die den Kindern dort zuteilwurde, und er stellte fest, dass er sich wünschte, die Majorin würde ebenfalls die Vorschriften umgehen, Berichte fälschen und ihre Günstlinge fördern. In seiner
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