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Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
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wäre das irgendwie ein Makel. Doch Dimitris Vorurteile würden ihre Kinder nicht vom Turnen ausschließen. Sie war keine selbstversonnene Turnerin, sondern hatte sich entschieden, Kinderärztin zu werden. Er hingegen hatte die Vorteile des damals noch funktionierenden Staatssystems genossen und sich blind wie ein Maulwurf auf seinen Erfolg konzentriert.
    Es war schon seltsam: Ihr fiel niemand ein, nicht einmal ihre Eltern, mit dem sie sich so oft gestritten hatte wie mit Dimitri. Doch auf seine verdrehte, komplizierte Art war er einfach genial: ein Walnussbaum, der sich fest um jeden Auswuchs und Knoten spannte. Ihr Ärger verblasste, und sie musste lächeln. Der Kerl schrieb seine Notizen immer noch in Langschrift! Er würde mit einem Hund viel Spaß haben. Am Ende würde er ihn inniger lieben, als sie es täte: Er war es, der einen Hund brauchte. Und er würde ein ganz wunderbarer Vater sein! Sie inspirierte die Kinder, ja, wie es von einer guten Lehrerin zu erwarten war; doch es war Dimitris Hand, nach der sie griffen. Und er war darauf angewiesen, dass sie das wusste.
    Sie löste ihr Haar, packte ihre Sachen zusammen, und auf dem Weg zu den Duschen spürte sie, wie der Schweiß unter ihrem Gymnastikanzug abkühlte. Ha! Auch wenn er Turnen nur als schmückendes Beiwerk betrachten mochte, ihre Biegsamkeit gefiel ihm sehr wohl. Ihre Gedanken wanderten zu seinen verwirrt blickenden grauen Augen, seinem Charme, seinem unverhohlenen sexuellen Verlangen nach ihr, den Flächen und feinen Linien seines Körpers. Ihr Dimitri sah wirklich gut aus. Zumindest für einen Fünfundvierzigjährigen.
    Seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr wusste Natalja, dass sie einen Mann wollte, der zwei Kriterien erfüllte: Sie musste ihn körperlich attraktiv finden, und er musste auf ihre Hilfe angewiesen sein. Damals hatte sie von einem an Platzangst leidenden Pianisten geträumt; irgendeinem begabten (und gut aussehenden) Krüppel. Die meisten ihrer Liebhaber schienen anfangs auch ins Bild zu passen: ein alkoholsüchtiger Ingenieur in der Petrochemie und ein psychotischer Schriftsteller. Doch beide hatten sich gegen ihre Hilfe gesträubt, und sie hatte das Interesse an ihnen verloren. Aber Dimitri – sie war überzeugt, dass sie ihm sehr viel helfen konnte.
    Sie würde an diesem Abend kochen. Und sie würde wunderbar duften. Und er würde seinen gleißenden Körper anspannen und stöhnen. Ihr Bauch straffte sich unwillkürlich.
     
    ~
     
    Dimitri saß im Beobachtungsraum und beobachtete Marko, die verschiedenen Testergebnisse an seine Aktenmappe geheftet. Was für ein erstaunliches Kind. Bis zu einem gewissen Grad in sich gekehrt – er leckte Dimitri immer wieder die Hände und wirkte oft geistesabwesend und traurig. Ein gewisses Maß an Stereotypie – wie jetzt, wo er hin und her schaukelte oder unruhig und ziellos auf allen vieren im Zimmer umherlief. Wusste nicht, wie man Essen kaut, wusste aber, wann er satt war, was nach Dimitris Erfahrungen mit anderen vernachlässigten Kindern ungewöhnlich war. Keine einzelnen Worte oder ganzen Sätze, doch viele Lalllaute und gedehnte Vokale. Und Zeichensprache – hündische Zeichensprache, in Ermangelung eines besseren Wortes. Das schnelle Schlängeln seines Hinterns war Dimitri seltsam vorgekommen, bis er sich einen großen schwanzwedelnden Hund vorstellte, der seinen ganzenKörper hin und her bewegte. Sprachentwicklung, zumindest im Zusammentreffen von verbaler und gedanklicher Intelligenz, hatte nicht stattgefunden; stattdessen hatte sich etwas völlig Seltsames zugetragen.
    In mancher Hinsicht glich er den Heimkindern mit Reizdeprivation, doch dann war er auch wieder ganz anders. Zum Beispiel wusste er, wie man spielt – etwas höchst Ungewöhnliches.
    Hunde sind verspielt, dachte Dimitri und beugte sich vor, um durch das Einwegfenster zu beobachten, wie der Junge mit einem großen gelben Ball herumtollte. Aber im Gegensatz zu diesem Kind stapeln Hunde keine Bauklötze. Oder lassen einen gelben Bauklotz einen roten anbellen. Dieser Junge war viel empfänglicher als die Kinder, die lange in einem Heim gelebt hatten. Er zeigte Angst, Hoffnung, Freude, Wut und Hunger ganz offen. Auch sein Schlafrhythmus war ungewöhnlich – er war nachtaktiv und schlief dafür immer sofort nach dem Essen. Sein körperlicher Zustand war besorgniserregend – Natalja hatte zystische Fibrose diagnostiziert –, das ließ sich aber behandeln. Seine Ergebnisse bei den körperlichen Tests waren ebenso seltsam wie

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