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Dogma

Dogma

Titel: Dogma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Kodex ab, nahm den zweiten in die Hand und öffnete ihn ebenso behutsam wie den ersten. Die beiden Bücher sahen sich zwar äußerlich sehr ähnlich, dieses bestand jedoch aus gebundenen Pergamentseiten, nicht aus Papyrus. Offenbar war es jünger als das andere. Dennoch war die Schrift die gleiche – Koine-Griechisch.
    «‹Das Evangelium der Hebräer›», las Tess. Diesen Titel kannte sie. Sie blickte auf. «Das ist eines der ‹verschollenen Evangelien›. Einige der Kirchengründer erwähnen es in ihren Schriften, aber es wurde nie ein Exemplar gefunden.» Andächtig strich sie mit den Fingern über die aufgeschlagene Seite. «Bis jetzt.»
    Mit wild klopfendem Herzen blätterte sie langsam ein paar Seiten um, ließ den Blick über die winzigen Buchstaben gleiten und versuchte, etwas von dem Inhalt zu verstehen. Auf einmal entdeckte sie noch etwas anderes: Zwischen den Seiten des Buches steckte ein gefaltetes Pergamentblatt.
    Sie zog es heraus. Es handelte sich nicht nur um eine Seite, sondern um vier, die ineinandergefaltet waren. Es trug ein Siegel aus rötlich braunem Wachs, das einen Abdruck auf den Seiten hinterlassen hatte, zwischen denen es steckte. Offenbar ein offizielles Dokument. Tess zog Abdülkerims Taschenlampe zu sich heran, um besser sehen zu können, und bog eine Ecke des obersten Blattes ein wenig zurück. Kaum mehr als ein paar Buchstaben wurden sichtbar. Die Schrift war eine andere als die der Kodizes.
    «Ich glaube, das ist Latein, aber ich kann es nicht lesen, ohne das Siegel zu brechen», sagte Tess zu Zahed.
    «Dann brechen Sie es», befahl er.
    Tess stieß frustriert die Luft aus. Es war sinnlos, mit diesem Mann diskutieren zu wollen. Innerlich kochend vor Zorn, schob sie die Finger unter den oberen Teil des Blattes und versuchte mit aller Behutsamkeit, das Wachs von dem Pergament zu lösen. Aber es ließ sich nicht vermeiden, dass das Siegel brach. Noch nach Jahrhunderten hatte es seinen Zweck erfüllt.
    Tess faltete die Blätter nur ein wenig auseinander, um sie nicht zu zerbrechen.
    Tatsächlich war dies eine gänzlich andere Schrift. Die Worte waren in römischer Kursive geschrieben – also auf Latein, nicht auf Griechisch.
    «Was ist das?», fragte Abdülkerim.
    «Sieht aus wie ein Brief.» Tess versuchte mit zusammengekniffenen Augen den Text zu entziffern. «Mein Latein ist nicht besonders gut.» Sie hielt dem Byzantinisten die Seite hin. «Können Sie das lesen?»
    Er schüttelte den Kopf. «Griechisch problemlos, aber Latein ist nicht mein Fachgebiet.»
    Tess nahm sich den Text erneut vor, dann glitt ihr Blick zum Ende der letzten Seite.
    «‹Ossius ex Hispanis, Legatus Imperatoris et Confessarius Beato Constantino Augusto Caesari
›»,
las sie laut. Einen Moment lang hielt sie inne, überwältigt von der Bedeutung dessen, was sie da womöglich in der zitternden Hand hielt. Gedankenverloren sprach sie flüsternd vor sich hin: «Hosius von Spanien, kaiserlicher Statthalter und Beichtvater des Kaisers Constantin.»
    Zahed zog die Augenbrauen hoch – ein seltenes Zeichen gespannter Neugier.
    «Hosius», wiederholte Abdülkerim. «Der Bischof von Cordoba. Einer der Kirchenväter.»
    «Der Mann, der beim Konzil von Nicäa den Vorsitz führte, nicht wahr?», fragte Tess.
    Der Byzantinist nickte, dann runzelte er nachdenklich die Stirn. «Das liegt in der Nähe von Istanbul, aber von hier ist es auch nicht allzu weit. Heute heißt die Stadt Iznik.»
    Tess sah ihm an, dass er ihr am liebsten tausend Fragen gestellt hätte und sich nur mit Mühe beherrschen konnte. Nicäa war eines der bedeutendsten Stichworte in der Geschichte des frühen Christentums. Es gab noch viele offene Fragen dazu, was sich wirklich bei jener historischen Zusammenkunft im Jahr 325 zugetragen hatte, zu der Konstantin der Große die obersten Bischöfe der gesamten Christenheit einberufen hatte, damit sie ihre Zwistigkeiten beilegten und sich auf ein einheitliches christliches Glaubensbekenntnis einigten.
    Tess wandte sich an Zahed. «Wir müssen das übersetzen lassen.»
    Auch der Iraner war in Gedanken versunken. «Später», erwiderte er. «Geben Sie mir das.»
    Tess warf einen letzten Blick auf das Dokument, dann faltete sie es zögernd zusammen und steckte es wieder zwischen die Seiten des Kodexes, in dem sie es gefunden hatte. Sie händigte beide Bücher Zahed aus, der sie in seinen Rucksack steckte.
    «Sehen wir nach, ob hier noch etwas vergraben ist», sagte er und hielt Tess wieder die Spitzhacke

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