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Dogma

Dogma

Titel: Dogma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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hinaufführten.
    Als Tess nach unten blickte, wurde ihr mulmig. «Jetzt verstehe ich, warum es hier nicht gerade von Touristen wimmelt.»
    Der Türke zuckte die Schultern. «Das hier war das Vestibül der Kirche», erklärte er. «Kommen Sie weiter. Das Kirchenschiff liegt dahinter.»
    Er ging durch einen engen Durchgang voran und schaltete seine Taschenlampe ein.
    Der Raum, den sie jetzt betraten, war erstaunlich groß – etwa zwölf Meter tief und halb so breit. Zu beiden Seiten verliefen Gänge, durch Säulenreihen vom Hauptraum abgetrennt. Sie dienten rein der Zierde, da sie nichts zu stützen brauchten – schließlich war die gesamte Kirche in das weiche Gestein hineingegraben. Nach oben wurde das Ganze von einem hohen Tonnengewölbe überspannt, und am Ende befand sich, wie es schien, eine hufeisenförmige Apsis.
    «Das Fresko ist dort drüben», sagte Abdülkerim und ging tiefer in die Kirche hinein, «und die Gruft liegt unter uns.»
    Während Tess ihm folgte, ließ sie den Blick über die byzantinischen Fresken gleiten, die jeden Quadratzentimeter von Decke und Wänden bedeckten. Im weichen, umhertanzenden Lichtschein der Taschenlampe erkannte sie vertraute biblische Szenen wie die Himmelfahrt Christi und das Letzte Abendmahl sowie religiöse Ikonographien, die enger mit der Region verknüpft waren. Zum Beispiel ein Gemälde von Konstantin dem Großen und seiner Mutter, Sankt Helena, mit dem «heiligen Kreuz» – dem Kreuz, an das Jesus geschlagen worden war –, das sie bei der Reliquiensuche auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem im Jahr 325 entdeckt zu haben glaubte.
    An den Wänden fanden sich weitere ebenso lebhafte wie verstörende Bilder. Ein Fresko zeigte ein Ungeheuer mit drei Köpfen und dem Leib einer Schlange, das die Verdammten verschlang. Auf einem anderen waren nackte Frauen zu sehen, die von Schlangen angefallen wurden, und auf einem dritten eine riesenhafte Heuschrecke, die mit zwei Kreuzen abgewehrt wurde. Tess’ Unbehagen wurde noch gesteigert durch die Tatsache, dass bei den meisten Gestalten in den Wandgemälden die Augen, manchmal sogar die ganzen Gesichter herausgekratzt waren – das Werk muslimischer Invasoren, die glaubten, dadurch werde die Gestalt auf dem Bild getötet. Die Fresken weiter oben an den Wänden sowie am Deckengewölbe waren unversehrt, wohl weil sie schwerer zu erreichen waren. Kalte Gesichter mit durchdringenden mandelförmigen Augen, dünnen schwarzen Augenbrauen und strengen, kantigen Mündern starrten auf Tess herab. Die feine Farbschicht erweckte beinahe die Illusion, die Haut der Gestalten sei an der Wand aufgespannt.
    Am Ende des Kirchenschiffs, bei der Apsis, blieb Abdülkerim stehen. Jetzt erkannte Tess, was zuvor die Dunkelheit verborgen hatte: Der Raum weitete sich hier zu drei Apsiden aus. Daneben befand sich ein Durchgang, hinter dem Tess einen Tunnel ausmachen konnte.
    Der Byzantinist richtete seine Taschenlampe auf ein Gemälde hoch oben an der Halbkuppel einer der Apsiden. Es handelte sich um ein besonders detailreiches und kunstvoll ausgeführtes Werk, in dem blasse Schattierungen von rotem Ocker und Grün vorherrschten. Und das Entscheidende: Es war gänzlich unversehrt. Es zeigte einen stehenden Mann, der gegen vier andere Krieger kämpfte. Er trug weder Helm noch Kettenhemd und hatte kein Pferd. Im Hintergrund waren mehrere Dorfbewohner abgebildet, die sich in dunklen Höhlen in einer Felswand versteckten.
    Die vier Krieger waren durch ihre Turbane und Krummsäbel eindeutig als Muslime zu erkennen. Die Gestalt, die gegen sie kämpfte, führte ein Breitschwert in der rechten Hand. Der linke Arm war in einer trotzigen Geste in die Höhe gereckt.
    Tess beugte sich vor, um besser sehen zu können.
    Tatsächlich fehlte die linke Hand, aber nicht, weil die Farbe abgeblättert war – sie war einfach nicht abgebildet worden. Der Unterarm endete in einem abgerundeten Stumpf.
    Ihr Blick fiel auf die Inschrift, die auf Griechisch in kräftigen Unziallettern geschrieben war. Sie versuchte, die Worte zu übersetzen; ihr Griechisch war allerdings ein wenig eingerostet. Der Byzantinist half ihr aus.
    «‹Die eine wahre Hand entlädt ihren Zorn auf die plündernden Heiden
›»,
las er vor.
    Tess warf einen Blick auf den Iraner. Sollte er Unbehagen empfinden, so ließ er es sich nicht anmerken. Sie wandte sich wieder dem Gemälde zu. Rechts über den Kämpfenden befand sich noch eine zweite Inschrift in kleineren Buchstaben.
    «Und was steht da oben?»,

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