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Dogma

Dogma

Titel: Dogma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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unter ihr weg – das linke Vorderrad hatte sich gelöst. Maysoon klammerte sich fest, während das Fuhrwerk sich weiter neigte und heftig ins Schlingern geriet. Rahmenhölzer brachen, und Bolzen sprangen aus den Verbindungen, gleich darauf stürzte das wackelige Gefährt vollends um. Maysoon wurde in hohem Bogen hinausgeschleudert. Der Wagen wurde noch ein Stück weit über den harten Boden geschleift, dann rissen die Pferde die Deichsel aus der Verankerung und galoppierten davon.
    Maysoon prallte hart auf dem Boden auf und überschlug sich mehrmals, ehe sie auf dem Rücken liegen blieb. Verschwommen sah sie Conrad neben sich vom Pferd springen und auf sie zueilen.
    «Maysoon», rief er und fiel neben ihr auf die Knie. «Bist du verletzt?»
    Sie wusste es nicht. Einen Moment lang blieb sie reglos liegen. Ihr Kopf hämmerte, ihr ganzer Körper schmerzte, und das Atmen fiel ihr schwer. Schließlich versuchte sie sich aufzurichten, aber ihre Hand gab unter ihr nach, und sie fiel wieder auf den Rücken.
    «Mein Handgelenk», stöhnte sie. «Ich glaube, es ist gebrochen.»
    Conrad half ihr, sich aufzusetzen, und hielt sanft ihre Hand. Bei der geringsten Bewegung durchzuckte ein heftiger Schmerz ihren ganzen Arm. Das Gelenk war gebrochen oder zumindest schwer verstaucht, jedenfalls konnte sie die Hand nicht mehr gebrauchen.
    Maysoon hielt sie mit einem bitteren Lächeln hoch. «Jetzt sind wir zwei Halbe», sagte sie.
    Conrad küsste sacht ihre Hand, dann beugte er sich vor und gab Maysoon einen langen, innigen Kuss.
    Er half ihr auf die Beine. Im Tal war alles ruhig und still. Kein Lufthauch ging, nichts regte sich. Die Sonne kroch gerade über die Kuppe eines steilen, kahlen Hanges zu ihrer Rechten. Bald würde die Tageshitze einsetzen.
    Der zertrümmerte Wagen lag ein paar Meter weiter auf der Seite, um ihn herum die Truhen. Die Furche, die er gezogen hatte, war übersät von gesplittertem Holz. Conrad und Maysoon betrachteten den Schaden genauer. Zwei der Truhen waren unversehrt, die dritte war beim Aufprall aufgesprungen, und der Inhalt lag verstreut am Boden.
    Von den Pferden war nichts mehr zu sehen.
    «Wir müssen die Pferde wieder einfangen», sagte Maysoon.
    «Die sind längst auf und davon», entgegnete Conrad niedergeschlagen. «Sie kommen bestimmt nicht zurück.»
    Maysoon setzte gerade zu einer Erwiderung an, als sie hinter ihm, etwa hundert Meter entfernt, etwas bemerkte. Ein dunkler Klumpen, von menschlicher Gestalt. Sie runzelte die Stirn und wies mit einer Kopfbewegung darauf. Als Conrad sich umwandte, sah er es ebenfalls.
    Sie gingen gemeinsam zu der staubbedeckten Leiche des Händlers. Maysoon starrte lange schweigend auf ihren toten Vater. Schließlich stieß sie einen tiefen Seufzer aus. «Jetzt muss
ich
dich bitten, mir zu helfen, jemanden zu begraben.»
    Conrad legte den Arm um sie. «Natürlich.»
    Mit seinem Krummsäbel grub er ein Loch in die ausgedörrte Erde. Maysoon half ihm mit ihrer gesunden Hand. Eine Weile lang sagte Conrad nichts. Sie schien Zeit zu brauchen, ihren Gedanken nachzuhängen.
    Schließlich sagte er: «Vor ein paar Tagen, als ich dich gefragt habe, warum du das tust, da hast du gesagt, wenn ich dich besser kennen würde, würde ich es verstehen. Wie hast du das gemeint?»
    Sie schwieg einen Moment lang. «Mein Vater, mein Bruder … Es war nicht immer so. Als ich ein Kind war, in Konya, da hatten wir ein gutes Leben. Meine Eltern waren gute Sufis. Besonders meine Mutter. Sie hat für uns ein Heim voller Liebe und Fürsorge geschaffen. Und ich glaube, mein Vater war damals auch anders. Ich habe noch Erinnerungen an die Zeit mit beiden Eltern. Aber nachdem meine Mutter krank wurde und starb … da wurde alles anders. Wir haben Konya verlassen, sind umhergezogen. Mein Vater wurde von Tag zu Tag bitterer und unleidlicher. Mein Bruder ist dem Bann der Ghazis verfallen. Er wollte selbst einer werden. Er ist fasziniert von der Vorstellung, den Glauben durch die Macht des Säbels zu verbreiten. Und mein Vater war ein kluger Mann. Er erkannte, dass der Wind sich drehte. Er wusste, dass sie früher oder später all diese Länder erobern würden, und er wollte sichergehen, auf der Seite der Sieger zu stehen.»
    «Und du hast ihnen widersprochen?»
    «Du weißt nichts über Rumi. Du weißt nicht, was es bedeutet, ein Sufi zu sein. Dass sie sich von etwas so Edlem, so Erhabenem abwandten … Ich konnte nicht einfach dasitzen und zusehen, wie sie zu solchen Ungeheuern wurden.»
    Conrad

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