Dogma
Reilly und versuchte, in einer Position zu bleiben, in der ein Schuss Tess gefährdet hätte.
Reilly hob die flache Hand. «Bleiben Sie auf der Stelle stehen und heben Sie die Hände. Sofort», rief er drohend. «Tess, verdammt, bring dich in Sicherheit –»
Und in diesem Augenblick lief alles aus dem Ruder.
Der Iraner stürzte sich auf Tess – er war zu schnell und zu dicht neben ihr, als dass Reilly einen Schuss hätte riskieren können –, packte sie und hielt sie als Schutzschild vor sich. Den rechten Arm fest um ihren Hals gelegt, streckte er die linke Hand aus, gerade so weit, dass Reilly sie sehen konnte. Er hielt darin ein Handy.
«Sie trägt eine Bombe», rief er zurück, ließ mit dem rechten Arm ihren Hals los und riss ihr Hemd hoch. Um ihre Taille wurde der Gürtel sichtbar. «Wenn Sie nicht sofort Ihre Waffe fallen lassen, können Sie Ihre Freundin gleich von den Felsen abkratzen.»
Reilly schoss das Blut in die Schläfen. «Wenn Sie das tun, gehen Sie selbst auch drauf», schrie er erbost – die Erkenntnis, dass er keinen Trumpf mehr auszuspielen hatte, machte ihn rasend.
Der Iraner grinste. «Denken Sie, ein guter Muslim wie ich hätte ein Problem damit, für seine Überzeugung zu sterben?» Dann wurde sein Gesicht wieder todernst. «Runter mit der verdammten Pistole, sonst ist sie tot», rief er barsch.
Reilly stand wie angewurzelt, die Armmuskeln zum Zerreißen gespannt. Er hatte keine Wahl. Er holte tief Luft, dann richtete er die Pistole seitlich nach oben und öffnete die andere Hand in einer beschwichtigenden Geste.
«Sichern Sie sie und werfen Sie sie weg», befahl der Iraner und wies nach rechts. «Weit weg.»
Ohne den Bomber aus den Augen zu lassen, betätigte Reilly den Sicherungshebel. Dann warf er die Pistole zur Seite und sah zu, wie sie etwa zehn Meter entfernt auf der harten Erde aufschlug. Alles in ihm krampfte sich zusammen. Er hatte versagt, schoss es ihm durch den Kopf, und sehr wahrscheinlich würde er gleich sterben.
Das Gesicht des Iraners entspannte sich. Er ließ Tess los, trat einen Schritt zurück und steckte dabei ruhig die Hand in seinen Rucksack.
Der Rucksack fiel zu Boden, und er hob die Hand wieder. Darin hielt er eine Pistole.
«Grüß mir die Jungfrauen», rief er und drückte ab.
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Kapitel Dreiundvierzig
Er wird Sean töten.
Ein Sturm der Gefühle tobte in Tess, als sie die Pistole durch die Luft fliegen und auf dem Boden aufschlagen sah. Erst war er noch am Leben – nicht nur am Leben, sondern hier, bei ihr, vor ihren Augen, unversehrt. Und mehr noch, er würde sie retten, er hatte eine Pistole auf den Hurensohn gerichtet – und jetzt würde er sterben?
Ihretwegen? Wegen ihres verdammten Anrufs?
Niemals.
Das konnte sie nicht zulassen.
Niemals, verdammt.
Mit der ungezügelten Wut eines eingesperrten Raubtiers stürzte sie sich auf ihren Entführer, einen wilden, hemmungslosen Schrei ausstoßend. Ohne an die Folgen zu denken. Ohne daran zu denken, ob die Bombe sie gleich zerreißen würde. Wenn sie sterben sollte, wenn er die Taste drücken würde, dann würde sie ihn verdammt nochmal mitnehmen.
Sie überrumpelte ihn völlig.
Sie sprang ihn von links an, sodass er aus dem Gleichgewicht geriet und seine Hand mit der Waffe im Moment des Abdrückens weit verriss. Tess sah nicht, wohin der Schuss ging, hatte keine Zeit, sich zu vergewissern, dass Reilly nicht getroffen war, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass sie es noch rechtzeitig geschafft hatte. Reilly durfte einfach nichts passiert sein. Was sie sah, war die linke Hand des Iraners – die mit dem Handy. Tess sah sie im Moment ihres Aufpralls in einer reflexhaften Abwehrbewegung nach oben fahren, sah, wie ihr Griff sich lockerte, wie ihr das Handy entglitt und zu Boden fiel – und in diesem Sekundenbruchteil stockte ihr Atem, die Welt schien stillzustehen. Sie rechnete jeden Augenblick mit der Explosion, gleich würden ihr die Eingeweide herausgerissen werden – doch es geschah nicht. Sie wurde nicht von der Bombe zerrissen. Sie war noch da, heil und ganz, und spürte die volle Wucht, mit der der Iraner ihr den Ellenbogen gegen den Kiefer rammte, während sie beide zu Boden stürzten.
Als Reilly sah, wie Tess sich auf den Iraner stürzte, brannte bei ihm eine Sicherung durch. Sein Herz übertönte alles, was sein Verstand ihm zu sagen versuchte, und trieb ihn dazu an, einfach loszurennen.
Und das tat er – schnell wie ein Sprinter, der auf Gold aus war.
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