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Dogma

Dogma

Titel: Dogma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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genommen gab es kaum einen Körperteil, der ihr nicht wehtat.
    Wie lange werden sie mich noch so hier liegen lassen?
    Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren, überhaupt jegliche Orientierung. Sie wusste, dass ihre Augen mit Panzerband verklebt waren. Und auch ihr Mund. Und ihre Handgelenke hinter dem Rücken. Und ihre Knie und Knöchel. Eine Mumie des 21. Jahrhunderts, in silbrig glänzendes Gewebeband eingewickelt – und da war noch etwas. Ein weicher, dicker, gepolsterter Kokon, der sie umschloss. Wie ein Schlafsack. Sie tastete mit den Fingern. Ja, tatsächlich, ein Schlafsack. Nun wusste sie, weshalb sie schweißgebadet war.
    Das war aber auch so ziemlich das Einzige, was sie sicher wusste.
    Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Sie hatte das Gefühl, es müsse ein enger Raum sein, ein heißer, enger Raum. Vielleicht der Laderaum eines Lieferwagens oder der Kofferraum eines Autos. Sie war sich nicht sicher, aber sie hörte durch das Klebeband über ihren Ohren verzerrte, gedämpfte Geräusche. Von draußen. Die Geräusche einer belebten Straße. Autos, Motorräder, Roller, die teils dröhnend, teils summend vorbeifuhren. Etwas an den Geräuschen irritierte sie. Etwas fühlte sich verkehrt an, sie konnte nur nicht benennen, was.
    Tess konzentrierte sich, versuchte, die Schwere in ihrem Kopf zu ignorieren und den Nebel in ihrem Gedächtnis zu durchdringen. Vage Erinnerungen begannen Gestalt anzunehmen. Sie wusste noch, dass sie mit Waffengewalt entführt worden war, als sie auf dem Rückweg von der Ausgrabungsstätte in Petra, Jordanien, in die Stadt gewesen war – sie und die beiden anderen: der befreundete Archäologe Jed Simmons und der iranische Historiker, der sie aufgesucht hatte. Wie hieß er noch gleich? Sharafi. Genau, Behrouz Sharafi. Sie erinnerte sich, dass man sie in irgendeine schmutzige, fensterlose Kammer gesperrt hatte. Wenig später hatte ihr Entführer von ihr verlangt, Reilly in New York anzurufen. Und anschließend hatte er sie betäubt, ihr irgendetwas gespritzt. Sie spürte noch den Einstich im Arm. Das war das Letzte, woran sie sich erinnerte. Wie viel Zeit war seitdem vergangen? Sie hatte keine Ahnung. Stunden, womöglich ein ganzer Tag? Mehrere?
    Sie wusste es nicht.
    Sie hasste es, hier eingesperrt zu sein. Es war eng und heiß und dunkel und hart, und es roch, na ja, eben nach Autokofferraum. Aber nicht wie der Kofferraum einer alten Rostlaube, in dem allerlei gammeliges Zeug herumlag. Dieser Wagen, sofern es einer war, musste neu sein. Dennoch war der Geruch unangenehm.
    Je länger sie über ihre missliche Lage nachdachte, umso niedergeschlagener wurde sie. Wenn sie im Kofferraum eines Autos lag und von draußen Lärm hören konnte … dann befand sich der Wagen vielleicht auf einer öffentlichen Straße. Panik stieg in ihr auf.
    Was, wenn sie mich hier einfach verschimmeln lassen?
    Was, wenn niemand bemerkt, dass ich hier drin bin?
    Eine Ader an ihrem Hals begann zu pochen – durch das Klebeband wurden ihre Ohren zum Hallraum. Ihre Gedanken begannen zu rasen, angetrieben von dem nervenzerfetzenden inneren Trommelschlag: Wie lange würde der Sauerstoff reichen, wie lange konnte sie ohne Essen und Trinken auskommen, würde sie unter dem Klebeband womöglich ersticken? Sie begann, sich einen quälend langsamen, grausamen Tod auszumalen, bei dem sie, ausgezehrt vor Durst und Hunger und Hitze, einfach in einer dunklen Kiste krepierte, wie lebendig begraben.
    Die Angst davor überströmte sie wie ein eisiger Guss. Sie musste etwas unternehmen. Sie versuchte sich umzudrehen, um nach oben gegen die Kofferraumklappe, oder was auch immer es war, zu treten, aber sie konnte sich nicht rühren. Etwas hielt sie am Boden, eine weitere Fessel, die sie jetzt an Schultern und Knien spürte.
    Sie konnte sich kein bisschen bewegen.
    Tess gab es auf, gegen die Fesseln anzukämpfen, und ließ mit einem heiseren Seufzer, der ihr in den Ohren hallte, den Kopf sinken. Tränen stiegen ihr in die Augen, als ihre Angst, sterben zu müssen, immer mehr zur Gewissheit wurde. Durch ihre Verzweiflung drang das strahlende Gesicht ihrer dreizehnjährigen Tochter Kim in ihr Bewusstsein, ein Wunschbild, das nach ihr zu rufen schien. Sie stellte sich vor, wie das Mädchen jetzt gerade den Sommer in Arizona auf der Ranch von Tess’ älterer Schwester Hazel genoss. Und noch ein Gesicht schob sich ins Bild, das ihrer Mutter Eileen, die ebenfalls dort war. Dann verschwanden die Bilder wieder, und in ihrem Inneren

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