Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dogma

Dogma

Titel: Dogma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
Vom Netzwerk:
Kinder spielten ausgelassen auf begrünten Flächen. Die Stadt strahlte eine Ruhe aus, die Tess und Reilly seit einiger Zeit schmerzlich abhandengekommen war.
    «Wir könnten nach einem Rathaus suchen», schlug Tess vor. Sie ging langsam, mit verschränkten Armen, tief in Grübeleien versunken. «Irgendeine Stelle, wo Meldeunterlagen aufbewahrt werden.»
    «Vielleicht gibt es in den Gelben Seiten auch eine Rubrik für Tuchmacher?», fügte Reilly hinzu.
    Tess war nicht in der Stimmung für flapsige Bemerkungen.
    «Was denn, ich meine das ernst.» Er grinste sie komplizenhaft an. «Das Problem ist nur, dass es da eine kleine Sprachbarriere gibt.»
    «Die einzigen Derwische, die es hier zu geben scheint, sind diejenigen, die bei den großen Shows für Touristen auftreten. Die haben viel mit Ausländern zu tun. Da müsste jemand zu finden sein, mit dem wir uns verständigen können. Vielleicht gelingt es uns, einen zu überreden, uns mit einem Sufi-Ältesten bekannt zu machen.»
    Reilly zeigte die Straße entlang. «Fragen wir doch da mal.»
    Tess wandte sich um.
Iconium Tours
stand auf einem Schild, und darunter in kleinerer Schrift «Reisebüro».
     
    «Ich hätte heute Abend für Sie zwei Plätze bei einem
Sema
», teilte der Besitzer des Reisebüros, ein leutseliger Mann Anfang fünfzig namens Levant, ihnen eifrig mit. «Es ist eine herrliche Vorführung, Sie werden begeistert sein. Sie mögen Rumis Dichtungen?»
    «Sehr.» Tess lächelte unbehaglich. «Aber wird es eine echte Gebetszeremonie sein oder eher …» – sie zögerte – «eine Show für Touristen?»
    Levant warf ihr einen seltsamen Blick zu. Er schien ein wenig beleidigt. «Jeder
Sema
ist eine echte Gebetszeremonie. Die Derwische, die dort tanzen, nehmen ihre Sache sehr ernst.»
    Tess schenkte ihm ein entwaffnendes Lächeln. «Natürlich, so hatte ich das nicht gemeint.» Sie atmete tief durch und suchte nach den richtigen Worten. «Es ist nur … Wissen Sie, ich bin Archäologin, und ich versuche gerade, einen Fund zu verstehen. Es handelt sich um ein altes Buch. Darin ist von einem Tuchmacher die Rede, vor langer Zeit, vor mehreren hundert Jahren.» Sie hielt inne und zog hastig einen zerknitterten Zettel aus der Tasche. «Ein
Kazzaz
oder
Derzi
oder
Çukacı
», las sie stockend die verschiedenen Begriffe für Tuchmacher vor, die sie von dem Taxifahrer erfragt hatte. Da sie nicht recht wusste, wie der letzte Begriff auszusprechen war, zeigte sie dem Mann vom Reisebüro, was der Taxifahrer ihr aufgeschrieben hatte. Es war in einer Schrift geschrieben, die sie lesen konnte, denn eine weitere von Atatürks bahnbrechenden Reformen hatte darin bestanden, für die türkische Schriftsprache das lateinische Alphabet anstelle des arabischen einzuführen. «Ein Tuchmacher, der hier in Konya ein Derwisch war. Vermutlich ein Hochgestellter, ein Ältester oder so etwas. Ich weiß, das ist ein etwas heikles Thema, aber … Sie wissen nicht vielleicht jemanden, der sich mit so etwas auskennt, einen Fachmann für die Geschichte der Derwische von Konya?»
    Levant lehnte sich ein wenig zurück, und sein Gesicht wurde verschlossener.
    «Hören Sie, ich bin nicht in irgendeiner offiziellen Eigenschaft hier», versuchte Tess ihn zu beruhigen. «Das sind nur persönliche Nachforschungen. Ich will einfach gern verstehen, was es mit diesem alten Buch auf sich hat, das ich gefunden habe, weiter nichts.»
    Der Besitzer des Reisebüros rieb sich das Kinn, dann fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht und die beginnende Glatze. Er warf einen Blick zu Reilly und musterte auch ihn mit Nachdruck. Dieser stand nur schweigend da und gab sich alle Mühe, harmlos und vertrauenswürdig auszusehen. Levant richtete den Blick wieder auf Tess, dann beugte er sich vor.
    «Ich kann Sie heute Abend zu einem privaten
Dhikr
bringen», sagte er in verschwörerischem Ton. Er meinte eine Sufi-Gedenkzeremonie. «Das ist eine rein private Veranstaltung, Sie verstehen. Informell. Nur ein paar Freunde, die sich treffen, um» – er legte eine kleine Pause ein – «das Leben zu feiern.» Er sah Tess in die Augen, um sich zu vergewissern, dass sie seine Andeutung verstanden hatte.
    Sie nickte. «Und Sie meinen, da wird jemand sein, der mir weiterhelfen kann?»
    Levant zuckte die Schultern.
Vielleicht
sollte das wohl heißen. Und es bedeutete offenbar eher ja als nein.
    Tess lächelte. «Wann?»
     
    Der Älteste war Tess keine große Hilfe.
    Die Gebetszeremonie selbst war faszinierend gewesen.

Weitere Kostenlose Bücher