Dogma
sich vom Anblick des Infernos los und trat aufs Gas. Und während der gepanzerte Geländewagen ziellos durch die engen Straßen raste, entsprang Reillys verwirrtem Verstand eine plötzliche Erkenntnis. Eine Erkenntnis, die ihn durchfuhr wie ein Messerstich.
Szenen aus seiner Erinnerung reihten sich wahllos aneinander und ergaben plötzlich ein Bild. Wie der Iraner ausgesehen hatte, als sie auf der Flucht waren – wie auf einer Jogging-Runde, während Reilly nach Luft rang. Wie er den Mechaniker mit der Effizienz eines Ninja-Kämpfers außer Gefecht gesetzt hatte. Wie ungerührt er die Bombenexplosion hingenommen hatte, als gingen ihn Tote und Verletzte nichts an.
O Scheiße.
Reilly sah den Mann auf dem Beifahrersitz an. «Wer zum Teufel sind Sie?»
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Kapitel Sieben
Reilly gefror das Blut in den Adern. Der Iraner sah ihn ohne jegliche Gefühlsregung an. Kein herausforderndes Grinsen, nicht die finstere Miene eines fanatischen Irren. Nichts. Nur ein ungerührter, gleichmütiger Blick. Man hätte denken können, er befände sich auf einem Sonntagsausflug und betrachtete die Landschaft, während er mit seinem Fahrer plauderte.
Sein Tonfall jedoch sprach eine gänzlich andere Sprache.
«Wenn Sie nicht wollen, dass sie stirbt», sagte er zu Reilly, «dann fahren Sie einfach weiter.»
Wirre Bilder und Sätze stürmten auf Reilly ein, Erinnerungsfetzen zu Szenen, seit er den Anruf von Tess erhalten hatte. Sie liefen alle auf das Gleiche hinaus: Der Dreckskerl, der neben ihm saß, hatte sein Spiel mit ihm gespielt.
Seine Finger umkrampften das Lenkrad so fest, dass die Knöchel weiß wurden. «Die Bombe … das waren Sie.»
«Eine Sicherheitsvorkehrung», bestätigte der Mann, zog ein Handy aus der Tasche und hielt es mit der rechten Hand hoch, außerhalb von Reillys Reichweite. «Und wie sich herausgestellt hat, war sie nötig.»
Reilly begriff. Das Handy hatte die Bombe ausgelöst. Er begann innerlich zu kochen – am liebsten hätte er sich auf den Kerl gestürzt, ihm das Herz aus dem Leib gerissen und zugesehen, wie er verblutete. «Und der echte Sharafi?»
«Ich nehme an, er ist tot.» Der Mann zuckte leicht mit den Schultern. «Er war im Kofferraum des Wagens.»
Kein Hauch von Gefühl in seiner Stimme.
Die nächste Frage drängte verzweifelt an die Oberfläche. Reilly versuchte, sie niederzukämpfen – er wusste, wie die Antwort lauten würde –, aber die Worte sprudelten einfach aus ihm heraus. «Und Tess?»
Der Blick des Mannes wurde eine Spur härter. «Dahinten steht noch ein Auto. Auch mit einer Bombe.» Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, hielt er noch einmal das Handy hoch. «Darin ist Tess.»
Reillys Brust schien in Flammen zu stehen, und die vorbeifliegende Stadtlandschaft wurde unscharf, eine verschwommene Aneinanderreihung parkender Autos und grauer Hauswände. «Was? Soll das heißen, sie ist hier? In Rom?»
«Ja. Und näher, als Sie denken.»
Reilly hatte angenommen, sie sei noch in Jordanien, von wo aus sie ihn angerufen hatte. Nachdem der verfluchte Wahnsinnige neben ihm sie gekidnappt hatte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, drohte ihm die Brust zu sprengen, das Rauschen des Blutes in seinen Ohren übertönte alles, Adrenalin durchströmte ihn, und sein einziger Gedanke war, dass er zu Tess musste. Gleichzeitig schossen ihm Dutzende nächster Schritte durch den Sinn, die er gegeneinander abzuwägen versuchte, und er weigerte sich, auch nur den Gedanken zuzulassen, dieser Hurensohn könnte die Oberhand behalten.
«Lebt sie?» Er musste die Frage stellen, auch wenn er nicht wissen konnte, ob er eine wahrheitsgemäße Antwort bekommen würde. Er konnte nur dem Kerl dabei in die Augen blicken und nach einem Hinweis suchen, ob er die Wahrheit sagte.
Doch das Gesicht des Mannes blieb nervenaufreibend undurchdringlich. «Sie lebt.»
Reilly war so sehr in seine Gedanken an Tess versunken, dass er gar nicht daran dachte abzubremsen, als der ramponierte Geländewagen wie auf Schienen am Blumenmarkt vorbei über eine große Kreuzung am Circonvallazione Trionfale raste. Die Fahrer, die von den Seiten kamen, waren zu einer Vollbremsung gezwungen, mehrere Fahrzeuge krachten ineinander.
«Fahren Sie immer geradeaus und konzentrieren Sie sich», befahl der Iraner. «Sie tun Tess keinen Gefallen, wenn Sie uns beide umbringen. Ich weiß nicht, wie lange die Luft in dem Kofferraum noch ausreicht.»
Reilly wusste nicht, was er glauben sollte. Er knirschte mit den
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